Dr. Jan Heerma, Vogel Heerma Waitz, Berlin
BANDexpertforum, 1. Juli 2009 in Köln; Aktualisierung Januar 2015
1. Was ist Know-how?
Know-how ist ein schillernder Begriff. Jeder versteht darunter etwas anderes. Teilweise wird es als Oberbegriff für jegliches betriebliches Wissen verwendet. Dieser weite Begriff schließt dann auch patentiertes Wissen etc. mit ein. Aber das führt nicht weiter, wenn man sich fragt, wie Know-how geschützt ist. Wenn man von diesem weiten Begriff die Schutzrechte ausnimmt, bleibt das Know-how im engeren Sinne: Betriebs- und Geschäftsgeheimisse. Das sind nach einer Definition des BGH
„Tatsachen … die nach dem erkennbaren Willen des Betriebsinhabers geheim gehalten werden sollen, die ferner nur einem begrenzten Personenkreis bekannt und damit nicht offenkundig sind und hinsichtlich derer der Betriebsinhaber deshalb ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse hat …“
Betriebs- und Geschäftsgeheimisse sind beispielsweise Organisations-, Kalkulations- und Marketingpläne, Kundendaten, Bezugsquellenkenntnisse, Forschungsergebnisse, Rezepturen, Konstruktionszeichnungen, etc. Derartige Informationen können den wesentlichen Wertfaktor eines Unternehmens darstellen. Oftmals sind sie sogar wertvoller als Schutzrechte, wie etwa Patente oder Patentanmeldungen. Dabei ist Know-how besonders verletzlich:
Werden Know-how-Verletzungen nicht bekämpft, geht der Schutz des Know-hows über kurz oder lang verloren. Denn mit fortschreitender Ausweitung des Mitwisserkreises ist die Information zwangsläufig irgendwann offenkundig. Und dann ist es auch nicht mehr geschützt.
2. Gesetzlicher Know-how-Schutz
Schutzrechte gewähren ein rechtliches Monopol. Dritte dürfen den Gegenstand des Schutzrechtes (Patent, Marke, Urheberrecht) nur mit Genehmigung des Rechtsinhabers nutzen. Ohne eine solche Genehmigung kann der Rechtsinhaber die Nutzung untersagen. Bei Know-how ist das anders. Jedenfalls in Deutschland ist Know-how kein derartiges Schutzrecht. Es handelt sich in erster Linie um ein faktisches Monopol. Im Ausland wird das teilweise anders gesehen. Und es gibt Bestrebungen, das zu ändern. Z. B. gibt es seit Ende 2013 den Entwurf für eine Europäische Richtlinie zum Schutz von Know-how. Darin ist vorgesehen, dass Know-how unter Umständen wie ein Schutzrecht behandelt wird. Aber noch ist das nicht umgesetzt. Auch nach dieser Konzeption bleibt es aber dabei, dass der Schutz nur solange besteht, wie die Information nicht offenkundig ist.
Jedenfalls ist Know-how im deutschen Recht nicht umfassend geschützt. In manchen Fällen ist Know-how im weitesten Sinne über Schutzrechte geschützt, z. B. über Urheberrecht oder über Arbeitnehmererfindungsrecht und Patentrecht. Im Übrigen gibt es keinen umfassenden Schutz, sondern lediglich Einzelvorschriften, die sich jedoch nur zu einem sehr lückenhaften Schutzschild zusammenfügen.
Der gesetzliche Schutz von Know-how ist insbesondere in § 17 UWG verankert. Danach ist es verboten, während der Dauer eines Beschäftigungsverhältnisses Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten oder mit Schädigungsvorsatz an einen anderen weiterzugeben. Ebenso verboten ist die unbefugte Verschaffung von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen, etwa durch unbefugte Anfertigung von Kopien geheimer Unterlagen oder Mitnahme von Datenträgern.
§ 17 UWG „Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen”
1) Wer als eine bei einem Unternehmen beschäftigte Person ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis, das ihr im Rahmen des Dienstverhältnisses anvertraut worden oder zugänglich geworden ist, während der Geltungsdauer des Dienstverhältnisses unbefugt an jemand zu Zwecken des Wettbewerbs, aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten oder in der Absicht, dem Inhaber des Unternehmens Schaden zuzufügen, mitteilt, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
2) Ebenso wird bestraft, wer zu Zwecken des Wettbewerbs, aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten oder in der Absicht, dem Inhaber des Unternehmens Schaden zuzufügen, 1. sich ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis durch a) Anwendung technischer Mittel, b) Herstellung einer verkörperten Wiedergabe des Geheimnisses oder c) Wegnahme einer Sache, in der das Geheimnis verkörpert ist, unbefugt beschafft oder sichert oder 2. ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis, das er durch eine der in Absatz 1 bezeichneten Mitteilungen oder durch eine eigene oder fremde Handlung nach Nummer 1 erlangt oder sich sonst unbefugt verschafft oder gesichert hat, unbefugt verwertet oder jemandem mitteilt.
Das verhindert den Abfluss von Know-how nur eingeschränkt. Denn das Verbot gilt grundsätzlich nur während der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses des betroffenen Mitarbeiters. Danach darf der Mitarbeiter Know-how verwerten – jedenfalls soweit er es im Gedächtnis hat. Er darf sein im bisherigen Beschäftigungsverhältnis erworbenes Erfahrungswissen bei einem neuen Arbeitgeber einsetzen und muss keine „Schere im Kopf“ haben. Investoren ist jedoch gerade auch daran gelegen, zu verhindern, dass aus dem Zielunternehmen ausscheidende Mitarbeiter die ihnen bekannt gewordenen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse selbst oder für einen neuen Arbeitgeber verwenden können.
Nach der Rechtsprechung ist es grundsätzlich zulässig, einen Mitarbeiter zur nachvertraglichen Geheimhaltung zu verpflichten. Voraussetzung ist jedoch, dass die berechtigten Interessen der ehemaligen Mitarbeiter, insbesondere im Hinblick auf ihr weiteres berufliches Fortkommen, nicht unzulässig eingeschränkt werden. Bezieht sich die Geheimhaltungspflicht auf konkrete, in der Vereinbarung ausdrücklich bezeichnete Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse, ist die Verpflichtung grundsätzlich zulässig und damit wirksam. So hat das BAG eine nachvertragliche Verschwiegenheitsverpflichtung eines Leiters eines Entwicklungslabors für wirksam erklärt, weil das zu schützende Betriebsgeheimnis – eine bestimmte Rezeptur – genau bezeichnet war.
Nachvertragliche Geheimhaltungsverpflichtungen, die sich pauschal auf „alle Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse“ oder „alle betrieblichen und geschäftlichen Angelegenheiten“ beziehen – Klauseln also, wie man sie in fast allen Anstellungsverträgen findet – sind nachvertraglich in der Regel unwirksam. Denn sonst wäre es dem Mitarbeiter praktisch nicht mehr möglich, sein im bisherigen Beschäftigungsverhältnis erworbenes Erfahrungswissen bei einem neuen Arbeitgeber einzusetzen. Dies käme einem Wettbewerbsverbot gleich. Ein derartiges nachvertragliches Wettbewerbsverbot kann zwar vereinbart werden; zulässig ist dies jedoch nur für einen Zeitraum von maximal zwei Jahren. Während dieser Laufzeit muss der ehemalige Arbeitgeber zudem eine Karenzentschädigung zahlen, die in der Regel mindestens die Hälfte der letzten Bezüge beträgt. Ohne eine solche Entschädigung ist ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot grundsätzlich unwirksam.
Im Übrigen verstoßen Klauseln zu „sämtlichen Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen“ oder gar „alle betrieblichen und geschäftlichen Angelegenheiten“ bei vorformulierten Anstellungsverträgen gegen das im Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen geltende Transparentverbot und sind auch daher unwirksam. Denn für den Mitarbeiter ist bei derartigen Klauseln nicht ersichtlich, welche Tatsachen der Geheimhaltungspflicht unterliegen und welche nicht.
3. „Werkzeugkasten“ zum Schutz des Know-how
Neben Vertraulichkeitsvereinbarungen gibt es eine Reihe weiterer Möglichkeiten, das Zielunternehmen effektiv vor dem Abfluss von Know-how zu schützen. Aber alle diese Möglichkeiten haben ihre Nachteile, entweder weil sie nicht weit genug reichen oder weil sie hohe Kosten verursachen oder beides.
3.1 Geheimhaltungsklauseln
Geheimhaltungsklauseln mit Geschäftspartnern sind in vielen Bereichen unabdingbar.
Unspezifische Geheimhaltungsklauseln mit Arbeitnehmern sind meist unwirksam. Sie sollten in jedem Fall jedoch ein Verbot enthalten, Unterlagen für private Zwecke zu kopieren oder mit nach Hause zu nehmen. Besser sind spezifizierte Geheimhaltungsklauseln, in denen die geheim zu haltenden Informationen einzeln bezeichnet sind. Kundenlisten kann man hier eigentlich immer nennen.
3.2 Wettbewerbsverbote
Wettbewerbsverbote sind ein zweischneidiges Schwert. Grundsätzlich ist bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten auf Dienstvertragsebene eine sogenannte Karenzentschädigung geschuldet. Zudem gelten weitgehende Beschränkungen, was zulässigerweise vereinbart werden kann (Ort, Zeit und Gegenstand). Das Zielunternehmen und seine Investoren müssen abwägen, wie hoch das Risiko ist, dass der ausscheidende Mitarbeiter erworbenes Know-how zu Lasten des Unternehmens verwerten wird und wie hoch der Preis ist, den sie zur Vermeidung dieses Risikos zu zahlen bereit sind. Wettbewerbsverbote, die an die Gesellschafterstellung anknüpfen, sind grundsätzlich auch nachvertraglich möglich, aber die Grenzen sind ungeklärt.
Daher müssen solche Verbote aufwändig auf den Einzelfall abgestimmt werden. Wettbewerbsverbote können auch die (direkte und indirekte) Beteiligung an Konkurrenten verbieten. Solche Verbote sind im Franchisebereich üblich; dort erfasst es sogar die Verwandtschaft. Die Durchsetzbarkeit eines solchen Verbotes ist zweifelhaft. Immerhin erscheint eine Kündigung des Vertragsverhältnisses möglich. Kundenschutzklauseln sind vorteilhaft, und es ist grundsätzlich keine Karenzentschädigung geschuldet. Aber auch hier gelten enge Grenzen.
3.3 Schutzrechte
Nur ein Teil des Know-how lässt sich über Schutzrechte (Patente, Marken, Urheberrechte) schützen. Der Schutz durch Patentierung verursacht mitunter hohe Kosten. Die Verteidigung gegen Angriffe Dritter und die Durchsetzung solcher Rechte verursachen noch höhere Kosten – oft mehr als ein kleines Unternehmen hat. Es gibt aber Beispiele für VC-finanzierte Unternehmen, die ihre Schutzrechte erfolgreich gegen die Angriffe eines „Großen“ verteidigt haben.
Im Übrigen sind IP-Klauseln in Beteiligungsverträgen ein Muss. Sie stellen sicher, dass keine Schutzrechte bei den Gründern verbleiben. Investoren verlangen deshalb regelmäßig, dass die Gründer alle ihre etwaigen Schutzrechte an das Zielunternehmen übertragen.
3.4 Zusammenfassung
Insgesamt sind alle gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen letztlich von begrenztem Nutzen. Denn es gibt erhebliche Beweisschwierigkeiten. Daher sollte im Vordergrund der Vertragsgestaltung die Frage stehen, wie sich die Interessen der Beteiligten vereinheitlichen lassen (Alignment of Interest). Dies wird in aller Regel eine maßgebliche Beteiligung der entscheidenden Know-how-Träger an Zielunternehmen voraussetzen.