Am 14. September hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf des Bundesfinanzministers ins Gesetzgebungsverfahren geschickt, der ein Versprechen des Eckpunktepapiers Wagniskapital der Bundesregierung vom September 2015 einlöst. Künftig sollen über die bisherige Regelung hinaus Verlustvorträge bei vollständigem oder teilweisen Erwerb von mit Wagniskapital finanzierten Start-ups erhalten bleiben und steuerlich genutzt werden.
Die Änderung soll rückwirkend zum 01.01.2016 in Kraft treten. Zwar muss neben dem Bundestag auch der Bundesrat dem Gesetzentwurf zustimmen, jedoch dürfte dies aus heutiger Sicht kein Problem sein (siehe Pressemitteilung der Bundesregierung vom 14.09.2016).
Rechtsanwalt Georg Schmidt, Tigges Rechtsanwälte, Düsseldorf, erläutert in BrANDneues 5/2016 die vorgesehene Erleichterung für Start-up Finanzierungen:
Ein Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) sieht die Erweiterung der steuerlichen Verlustverrechnung von Körperschaften vor. Hintergrund ist, dass die geltende Rechtslage zu § 8c KStG gerade bei Venture Capital und Business Angel Finanzierungen oft ein Investitionshindernis ist. Denn aktuell gehen körperschaft- und gewerbesteuerliche Verlustvorträge anteilig oder vollständig unter, wenn bis zu 25% (anteilig) bzw. mehr als 50% (vollständig) der Gesellschaftsanteile auf einen neuen Erwerber übergehen. Für Gesellschaften, die sich mit Venture Capital oder Business Angels finanzieren, ist dabei die Gleichstellung einer Kapitalerhöhung mit einem Anteilseignerwechsel durch § 8c Abs. 1 S. 4 KStG besonders fatal.
In der Entwicklungsphase von Gesellschaften, die mit Venture Capital oder Business Angels finanzierten werden, werden regelmäßig hohe Verlustvorträge generiert. Weitere Finanzierungsrunden stehen daher häufig unter dem Damoklesschwert, dass Verlustvorträge im Rahmen des Beitritts eines neuen Investors ganz oder zum Teil entfallen. Zwar sieht auch die aktuelle gesetzliche Regelung Ausnahmen vom Verlustfortfall vor (Konzernsachverhalte, Vorhandensein stiller Reserven). Gesellschaften, die mit Venture Capital oder Business Angels finanziert sind, können sich aber regelmäßig nicht auf diese Ausnahmeregelungen berufen, da sie in der Mehrzahl konzernunabhängig sind bzw. in ihrer jungen Existenz noch keine stillen Reserven aufbauen konnten.
Dass die Zuführung neuen Kapitals in Gesellschaften, die auf Business Angels und Venture Capital angewiesen sind, volkswirtschaftlich sinnvoll ist und gefördert statt sanktioniert werden muss, hat nun auch das BMF erkannt. Mit einem neuen § 8d KStG soll Körperschaften die Nutzung der vorhandenen Verlustvorträge möglich bleiben, wenn sie seit ihrer Gründung, jedenfalls aber in den letzten drei Jahren vor der Verlustentstehung, ausschließlich denselben Geschäftsbetrieb unterhalten und kein schädlicher Vorgang nach § 8d Abs. 2 KStG n.F. eintritt. Voraussetzung für die Anwendung des § 8d n.F. KStG ist zunächst, dass ein schädlicher Beteiligungserwerb nach § 8c KStG vorliegt, d.h. dass Verluste anteilig (Wechsel von bis zu 25% der Anteile) oder ganz (Wechsel von mehr als 50% der Anteile) untergehen würden. Bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 8d n.F. KStG werden diese Verluste auf Antrag nach § 10d Abs. 4 EStG als fortführungsgebundener Verlustvortrag gesondert festgestellt. Dieser fortführungsgebundene Verlustvortrag kann dann vorrangig gegenüber anderen Verlustvorträgen genutzt werden. Auch der fortführungsgebundene Verlustvortrag fällt nach § 8d Abs. 2 KStG n.F. allerdings in folgenden Fällen weg:
– Ruhendstellung des Geschäftsbetriebs
– Änderung der Zweckbestimmung des Geschäftsbetriebs
– Zusätzliche Aufnahme eines Geschäftsbetriebs
– Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft
– Erlangung der Stellung als Organträger i.S. des § 14 KStG
– Übertragung von Wirtschaftsgütern auf die Körperschaft unter gemeinem Wert
Diese Einschränkungen sollen dazu dienen, die missbräuchliche Nutzung der Verlustvorträge durch Dritte – zeitlich unbeschränkt – auszuschließen. Tritt einer der vorgenannten schädlichen Sachverhalte ein, geht der fortführungsgebundene Verlust vollständig unter.
Auch die Neuregelung des § 8d KStG birgt Konfliktpotential. So handelt es sich insbesondere bei dem Merkmal desselben Geschäftsbetriebs um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der sich erst durch den Rechtsanwender herausbilden muss. Dies könnte für Gesellschaften, die auf die Unterstützung von Venture Capital und Business Angels bauen, gefährlich werden, wenn sie erst im Laufe ihrer Entwicklung das richtige Betätigungsfeld und den richtigen Markt finden. Ab welcher Qualität der Umgestaltung eine schädliche Zweckänderung des Unternehmens vorliegen soll, ist völlig offen.
Die geplante Neuregelung ist nicht auf Gesellschaften, die mit Venture Capital oder Business Angels finanziert werden, beschränkt, sondern sie gilt für alle Körperschaften. Dies führt generell dazu, dass die Verlustabzugsbeschränkung des § 8c KStG wesentlich entwertet wird. Ändert sich im Geschäftsbetrieb einer Gesellschaft nichts, steht einer Weiterführung der Verlustvorträge bei einem Wechsel der Gesellschafter zukünftig nichts im Wege. Dies kann als Paradigmenwechsel bezeichnet werden. Problematisch erscheint, dass die Finanzverwaltung die Einhaltung der Negativkriterien zeitlich unbeschränkt überwachen muss. Sinnvoll wäre, die Einhaltung dieser Kriterien auf einen angemessenen Zeitraum – z.B. fünf Jahre – zu beschränken. Die neue Rechtslage soll ab dem 01.01.2016 gelten.
Fazit: Eine sinnvolle Neuregelung, die längst überfällig ist. Die starre Orientierung der Verlustnutzung am Anteilseignerwechsel hat zwar die Rechtslage gegenüber der alten Mantelkaufregelung des § 8 Abs. 4 KStG a.F. vereinfacht. Wirtschaftlich nachvollziehbar war diese Vereinfachung aber nicht. Von der Einführung des neuen § 8d KStG würden insbesondere Gesellschaften, die von Venture Capital und Business Angels finanziert werden, profitieren.
Georg Schmidt ist Partner bei TIGGES Rechtsanwälte, Düsseldorf, und Fachanwalt für Steuerrecht
Beratungsschwerpunkte:
Steuer- und Gesellschaftsrecht; Nachfolgeplanung (privat und unternehmerisch); Beratung von Venture Capital Gesellschaften
Ausbildung zum Diplom Finanzwirt (FH) an der FHF Nordkirchen; Studium der Rechtswissenschaften an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf; Rechtsanwalt bei TIGGES Rechtsanwälte seit 2006, seit 2012 als Partner; Fachanwalt für Steuerrecht seit 2013