17. November 2020

„Das perfekte Unternehmen gibt es nicht“ – Interview mit Nikolaus D. Bayer, „Business Angel des Jahres 2020“


Lieber Herr Bayer, zunächst noch einmal unseren herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Auszeichnung „Business Angel des Jahres 2020“ und herzlich willkommen im „BAND Heaven of Fame“. Sie hatten bereits angedeutet, dass Ihr Smartphone kaum stillstand nach der Veröffentlichung Ihrer Auszeichnung. Auch Ihre Vorgängerin, Dr. Andrea Kranzer, erwähnte einmal, dass sie sich fast etwas überrollt vorkam.
Sind Sie überrascht von der „Wucht der Auszeichnung“?
Das war schon spannend. Das Handy meldete sich wirklich laufend. Ganz viele Nachrichten per Mail, LinkedIn oder eben telefonisch. Und bei sehr vielen habe ich gemerkt: Da freut sich jemand richtig mit mir. Darüber habe ich mich dann wiederum sehr gefreut.

Da die „Goldene Nase“ nicht wie sonst üblich feierlich im Rahmen einer BAND Großveranstaltung überreicht werden konnte: Wie haben Sie überhaupt von Ihrer Auszeichnung erfahren?
Das war in diesem Jahr wohl in der Tat alles etwas anders. Tatsächlich saß ich irgendwann Mitte Oktober im Auto und eine unbekannte Nummer aus Essen rief an. Frau Dr. Günther war dran und sagte, sie wolle etwas mit mir besprechen, was vorerst unter uns bleiben müsse. Da musste ich mich also zunächst alleine freuen, ich hatte es nur meiner Frau erzählt. Als es jetzt an die Öffentlichkeit ging, war ich also schon vorbereitet.

Vielleicht können Sie einmal kurz erläutern was der Preis für Sie bedeutet? Wie ordnen Sie das ein?
Das ist sensationell! Es handelt sich schließlich um einen Preis, der einem nicht hinterhergeschmissen wird. In Deutschland gibt es ein paar tausend Business Angels und unter denen nach ganz vorne gehoben zu werden, das ist schon was. Zumal es so viele Start-ups gibt, die nominieren können. Es ist mir eine große Ehre.

Nicht alltäglich ist, dass Sie gleich von drei „Ihrer“ Start-ups für die „Goldene Nase“ nominiert wurden, was natürlich ein großes Kompliment ist. Bitte lassen Sie uns doch ein bisschen hinter die Kulissen blicken. Wie läuft die Zusammenarbeit mit den Unternehmen Anyblock Analytics, BidX und sigo? Wo gibt es Unterschiede, wo Gemeinsamkeiten?
Inzwischen weiß ich, dass sich „meine Start-ups“ ein Stück weit abgesprochen haben. Dessen ungeachtet weiß ich, wie viel man als Gründer und Geschäftsführer zu tun hat, jeder Tag ist immer voll. Sich dennoch die Zeit für die Nominierung zu nehmen, das ist sehr wertschätzend – keiner hat sie dazu verpflichtet. Es zeigt mir aber, dass ich dann doch einiges richtig gemacht habe. Das motiviert, so als Angel weiterzumachen.

In Bezug auf die drei genannten Start-ups, oder auch ganz generell, ist die Zusammenarbeit immer sehr individuell. Es hängt z.B. von der Phase des Unternehmens ab, welche Anforderungen gerade bestehen und auch, wie der Gesellschafterkreis strukturiert ist. Bei sigo (Sharing für E-Lastenräder) beispielweise gibt es einmal im Monat das so genannte „Kaffeekränzchen“: Zwei Angels und die drei Geschäftsführer tauschen sich ganz bewusst ohne vorherige Agenda aus. Wir schaffen dediziert einen Raum, um das Tagesgeschäft beiseite zu schieben.

Ich denke, die Essenz in der Zusammenarbeit mit den Start-ups ist: Einerseits werfe ich Themen auf, von denen ich denke, dass man aktuell darüber sprechen sollte. Gleichzeitig möchte ich die Gründer locken, dass sie ihrerseits mit Themen kommen, die ich von außen gar nicht sehe, und mich (oder uns) als Sparringspartner suchen.

Können Sie erzählen, wie Sie „grundsätzlich investieren“? Sind Sie als „Einzelkämpfer“ unterwegs oder investieren Sie auch im Syndikat, verfahren Sie nach einer bestimmten Strategie, wo finden Sie interessante neue Start-ups?
Es gibt Leute, mit denen ich wiederholt investiert habe, aber es gibt bisher niemanden, mit dem ich mehr als zwei Beteiligungen halte. Nach einer gewissen Zeit weiß man einfach, wen aus seinem persönlichen Netzwerk man für welches Projekt kontaktieren kann. Grundsätzlich bin ich alles andere als ein „einsamer Wolf“, denn ich finde es sehr wichtig, sich auszutauschen und zu ergänzen, jeder hat schließlich seine Spezialfähigkeiten. Ich stürze mich z.B. gerne auf Vertriebsthemen und freue mich sehr, wenn jemand dabei ist, der einen Finanzfokus hat und sich dessen annimmt. Wenn ich ein „Einzelkämpfer“ wäre, könnte ich die Bandbreite der Themen, die aufkommen, gar nicht abdecken. Von meinen aktuellen Beteiligungen habe ich etwa die Hälfte über mein regionales Netzwerk, die Business Angels FrankfurtRheinMain, gefunden. Die andere Hälfte tatsächlich über das persönliche Netzwerk.

Wir befinden uns gegenwärtig in einer schwierigen Situation – Stichwort Corona: Haben Sie einen „Masterplan“ für das kommende Jahr – für Ihre investierten Unternehmen oder auch für neue Beteiligungen?
Ich bin in der glücklichen Situation, dass ich einen sehr starken Software-Fokus habe, was in der Krise sehr geholfen hat. Keines „meiner Unternehmen“ ist wirklich in Schieflage geraten. Ich denke, es werden auch alle gut aus der Krise herauskommen. Teilweise haben die Beteiligungen davon sogar profitiert, wie z.B. StudySmarter aus München, eine digitale Lernplattform, die zwischenzeitlich die Nummer 1 in den Overall App Store Charts in Deutschland war und auch momentan die Nummer 1 in den Bildungscharts ist. Für das kommende Jahr habe ich dementsprechend auch keinen Notfallplan in der Schublade.

Sie sind seit dem letzten Jahr BAND Mitglied – Wie sind Sie aufmerksam geworden auf die Arbeit des Verbandes und was hat Sie damals bewogen, Mitglied zu werden?
Ich hatte den BAND Newsletter schon länger abonniert und bin dadurch im letzten Herbst auf das BAND Inselcamp aufmerksam geworden. Da war ich dabei, weil ich dachte, dass es eine tolle Gelegenheit sei, sich mal ausführlich und intensiv mit anderen Angels auszutauschen. Das Camp hat mir sehr gut gefallen und danach war klar, dass ich BAND Mitglied werden möchte.

Haben Sie Erfahrungen mit dem INVEST – Zuschuss für Wagniskapital, wie sehen diese aus? Sehen Sie Verbesserungsbedarf?
Meine deutschen Beteiligungen laufen allesamt mit INVEST. Wir wären ja auch schön blöd, wenn wir das nicht mitnähmen! Es ist einfach ein sehr sinnvolles Tool und ich denke, da macht der Staat wirklich etwas Gutes. Ganz einfache Rechnung: Statt, dass ich mich an acht Start-ups beteilige, beteilige ich mich dadurch an zehn. Kritisch anzumerken ist vielleicht, dass das Programm an der ein- oder anderen Stelle noch einen „Digitalisierungsschub“ und ein wenig Prozessoptimierung vertragen könnte.

Haben Sie als nun ausgezeichneter Business Angel eventuell noch eine Empfehlung für junge, noch jüngere Angels?
Ich glaube, was man nicht tun sollte, ist, ohne Strategie und langen Atem zu investieren. Wir müssen uns bewusst sein, dass wir im Hochrisikobereich unterwegs sind und da sollten wir nicht ohne Plan sein. Meine zweite Empfehlung wäre, sich selbst weiterzubilden, sei es über die BAND Angebote, regionale Angel Vereine oder über die zahlreiche Literatur. Man sollte sich aus meiner Sicht schon etwas „aufschlauen“, um nicht sinnlos Kapital zu versenken!

Anknüpfend an das zuvor gesagte: Wir Angels versuchen natürlich, Risiken zu minimieren und INVEST hilft da als virtueller „Extrainvestor“ sehr, aber unabhängig davon wünsche ich mir manchmal ein bisschen mehr Mut von einigen Business Angels. Denn das perfekte Start-up, nach dem der ein- oder andere sucht, gibt es nicht.

Herr Bayer, herzlichen Dank für Ihre Zeit, nochmals unseren herzlichen Glückwunsch zur „Goldenen Nase“ und alles Gute für Sie!