12. November 2021

Das BAND Interview mit dem Business Angel des Jahres: Matthias Helfrich


Im Rahmen des Deutschen Business Angels 2021 wurde Matthias Helfrich zum Business Angel des Jahres gekührt und mit der Goldenen Nase” ausgezeichnet. BAND hat mit dem Preisträger gesprochen.

Lieber Matthias, herzlichen Glückwunsch zum Titel „Business Angel des Jahres“! Lass uns ein wenig teilhaben an deinem Innenleben. Du warst am Sonntag bei der Preisverleihung fast ein wenig sprachlos ob der Auszeichnung oder täuscht der Eindruck?

Nein, der Eindruck täuscht nicht. Das ist schon etwas sehr Besonderes für mich. Und ich weiß ja auch, was die anderen Nominierten geleistet haben und was deren Start-ups über ihre Investoren sagen. Mir wurde auch nochmal bewusst, welche Wertigkeit dieser Preis hat, den BAND über diesen langen Zeitraum bereits zum 21. Mal vergibt und durch die vielen, vielen Reaktionen von Menschen, von denen ich es gar nicht erwartet hatte. Das macht schon happy.    

Wertschätzung – das Stichwort fiel bei der Preisverleihung und wurde dann auch noch ein-, zweimal aufgegriffen. Kannst Du einmal erläutern, was das im Start-up Kontext für Dich bedeutet?

Das Wort Wertschätzung fußt ja auf dem Wort „Werte“ und natürlich geht es darum, welche Werte ein Business Angel bzw. auch welche Werte z.B. BAND oder ein regionales Netzwerk vertritt. Im zweiten Teil des Wortes steckt das Wort „Schatz“ und jeder Mensch trägt einen Schatz in sich, aber ich möchte jetzt nicht zu philosophisch werden. Wichtig aber ist: Mein Wertegerüst beinhaltet, dass ich anderen Menschen zunächst einmal wertschätzend gegenüberstehe und auch unvoreingenommen und frei von Hierarchiestufen. Das führt bei Start-ups in der Regel dazu, dass ich mit den Start-up Mitarbeitenden häufig auch auf einer persönlichen Ebene sprechen kann. Denn es ist doch so: Gründer:innen wollen mit ihrem Geschäftsmodell etwas verändern und der Angel sollte dabei bestmöglich unterstützen. Das geht aus meiner Sicht einfach viel besser, wenn die Gründer:innen wissen, ich als Angel bin praktisch immer da und greifbar, Inhalte bleiben vertraulich, Kritik ist immer nur an der Sache, nicht aber an der Person ausgerichtet, um nur mal drei Beispiele zu nennen, die für mich viel mit Wertschätzung zu tun haben.

Ein wenig klang es an. Was kennzeichnet Deine Arbeit als Angel und das scheinbar besondere Verhältnis zu „Deinen“ Start-ups.

Ich bin vor ca. 20 Jahren mit ersten Angels ins Gespräch gekommen, in etwa zur Gründungszeit von BAND, und da war die Welt noch eine andere. Da waren das oft ehemalige Unternehmer jenseits des 65. Lebensjahres, so dass der Abstand zur Lebenswirklichkeit von Gründerin oder zum Gründer oft recht groß war. Da hat sich inzwischen viel angenähert, bei vielen schon aus der Art, wie sie ihre Elternrolle wahrgenommen haben bzw. dies noch tun. Viele Angels in meinem Alter haben ja auch Kinder, die nicht so viel jünger sind als die heutigen Gründer:innen, so dass man hier weniger Distanz hat als früher. Es ist richtig, dass ich mich oft in so einer Art „gefühlten“ Lead-Angel Rolle wiederfinde, wenn ich mit mehreren Angels investiere und dann derjenige bin, der das offene Ohr mitbringt. Das wiederum liegt vermutlich daran, dass ich selbst sieben Jahre als Co-Founder unterwegs war, dass ich die VC-Seite und auch die Corporate Welt in zwei börsennotierten Konzern kennengelernt habe, sodass mein Blick da einfach sehr breit ist. Außerdem war ich früh als Schüler und Student in der kirchlichen und politischen Jugendarbeit aktiv, habe da zahlreiche ehrenamtliche Teamführungsfunktionen innegehabt, was mich wahrscheinlich über die Jahre schon geprägt hat.

Themenwechsel: Wo findest Du neue Start-ups?

Das ist im Hinblick auf mein Bestandsportfolio in der Tat sehr unterschiedlich. In den letzten Jahren fand ich regelmäßig Start-ups aus dem Bereich der Netzwerke, sei es bei BAND oder beim INWI in Wiesbaden oder in Berlin beim dortigen Angels Netzwerk. Und dementsprechend natürlich auch über die dortigen Angels und Mitglieder. Ich habe aber auch Start-ups gefunden über Veranstaltungen des BMWi, meinem Steuerberater oder über Freunde, deren Kinder ein Start-up gegründet haben. Der Weg zu Start-ups ist wirklich sehr vielfältig.

Wenn Du neue Start-ups kennenlernst: Gibt es etwas, wo Du sofort hellhörig wirst und andersherum: Was ist ein Ausschlusskriterium, wo du direkt sagst: Nein, danke

Zum ersten Teil der Frage: Ich merke immer wieder, dass ich relativ schnell darauf anspringe, wenn Gründer:innen ein deutliches Vertriebsgen in sich haben. Eine individuelle Ansprache, die auch schon etwas über die Persönlichkeit verrät, auch mal etwas riskieren – natürlich immer freundlich dabei – ich glaube, das spricht mich im Rahmen eines Erstkontaktes z.B. auf einer Messe an. Außerdem habe ich vielleicht eine gewisse Schwäche für „außergewöhnliche Personen“, die nicht dem smarten Gründerklischee entsprechen, also durchaus auch nerdige Leute. Vielleicht als Beispiel „talque“: Zwei in der String-Technologie promovierte Physiker als Gründer, zu denen die meisten der Angel Kollegen gesagt haben, das kann ja nicht funktionieren. Da habe ich mich anders positioniert und an die Gründer geglaubt und die offensichtliche Entwicklung des Unternehmens gibt mir jetzt auch recht. Allgemein gesagt: Es gibt wahrscheinlich nicht diesen einen Typus Gründer:in, der für alle Angel-Investoren passt, sondern Eigenarten von Gründer:innen sprechen den einen Angel mehr an als den anderen oder eben nicht. Im Gegensatz zum Geschäftsmodell. Da gibt es wohl schon eher den Fall, dass alle sagen „das muss doch funktionieren.“

Start-ups, mit denen ich mich nicht intensiver beschäftige, sind erstens solche, bei denen ich nicht direkt diesen unbedingten Erfolgshunger spüre. Da bin ich dann auch sehr stringent. Lehrgeld habe ich zudem bezahlt im Zusammenhang mit Einzelgründungen. Da habe ich dreimal Schiffbruch erlitten, ohne, dass es am Einsatz der Gründer:innen gelegen hätte – aber davon lasse ich inzwischen die Finger. Und der dritte Ausschlussbereich ist thematisch bedingt: Fintech, Biotech und Medtech stehen da bisher auf meiner persönlichen Ausschlussliste, weil ich einerseits nicht genug davon verstehe und auch nicht über das entsprechende Netzwerk verfüge.  

Wann war bei Dir Dein persönlicher „Break even“ erreicht, also ab wann warst Du Fulltime Angel und wie würdest Du den Weg dahin skizzieren?

Wie die meisten Angels habe auch ich eine eigene Beteiligungsgesellschaft und in der gibt es ein bestimmtes Verhältnis von Investments am Aktienmarkt und in Start-up Beteiligungen. Der eine Bereich ist liquide und der andere eben nicht. In der letzten Zeit habe ich in der Tat immer mehr Anteile aus dem Aktienmarkt herausgenommen und in die Beteiligungswelt der Start-ups investiert. Dabei muss ich natürlich schauen, dass meine Liquiditätsposition mir mein gesamtheitliches Auskommen ermöglicht. Insgesamt gesehen ist das also ein Liquiditätsverzehr bis zu Rückflüssen durch einen Exit und unterscheidet sich dadurch von einem Unternehmer mit regelmäßigen Umsatzerlösen und Cashflow. Dem Grunde nach führe ich also mein Unternehmen ähnlich dem Modell einer börsennotierten Beteiligungsgesellschaft mit langfristiger Wertzuwachsperspektive.            

Neben meiner Angel Tätigkeit habe ich noch ein Aufsichtsratsmandat und zwei Lehraufträge. Das ist alles in allem schon mehr als Fulltime. Die Zeit geht entweder in die Beteiligungsunternehmen aus meinem Portfolio, in die Betrachtung von Dealflow oder Themen wie Mentoring, die Mitarbeit in Netzwerken und Ähnlichem.

Lieber Matthias, vielen Dank für Deine Zeit und nochmals unseren herzlichen Glückwunsch zur „Goldenen Nase“ 2021!