IIm Rahmen der Women Angels Mission ‘25 fand am 9. März die diesjährige Ausgabe des Female Funding Events mit mehr als 150 Teilnehmer*innen statt und es haben sich wieder zahlreiche Start-ups um die begehrten Pitch-Plätze beworben: Über 100 Teams wollten ihre Ideen präsentieren. Ein Screeningkomitee von erfahrenen Angel Investor*innen hat im Vorfeld entschieden und die Top 10 Start-ups gewählt. Während des Events durfte dann noch im Public Voting entschieden werden, welches Team den besten Pitch gezeigt hat. Um zu erfahren, wer hinter den Top 2 Teams des diesjährigen Female Funding Events steckt, hat BAND die beiden Gewinnerinnen zu einem Interview eingeladen.
Herzlichen Glückwunsch an Sie, liebe Frau Kahle und Frau Rettegi, zu den großartigen Platzierungen Ihrer Start-ups beim diesjährigen Female Funding ‘23-Event. Sie beide haben große Wertschätzung erfahren, indem Ihre Unternehmen nicht nur vom Screeningkomitee im Vorhinein in die Top 10, sondern auch von der Online-Community während des Events auf die beiden ersten Rankingplätze gewählt worden sind.
Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen und dieses Interview mit mir führen.
BAND: Könnten Sie sich kurz vorstellen? Seit wann gibt es Ihr Unternehmen?
Julia Kahle: Ich bin Julia Kahle, Co-Founderin von Heynannyly, einem HR Tech Start-up. Außerdem engagiere ich mich als Landessprechende beim Startup Verband und bei Startup Teens. Als Mutter und mit 15 Jahren Background im Konzern HR treiben mich die Themen Vereinbarkeit und Equality voran. Zusammen mit meiner Mitgründerin Anna Schneider bin ich seit gut 1,5 Jahren mit Heynannyly unterwegs.
Lilian Rettegi: Mein Name ist Lilian Rettegi. Ich bin Ärztin, Gründerin und CEO vom HealthTech-Startup Idana mit Sitz in Freiburg i. Br. Die Medizin war für mich immer der schönste, sinnhafteste Beruf. Ich habe Medizin studiert, um es zu praktizieren, aber ich habe gemerkt, dass der Arbeitsalltag leider nur zum Bruchteil direkte Patientenversorgung ist. Die vielen bürokratischen Tätigkeiten, das Gefühl des ständigen Hinterherlaufens und Versorgung nicht so machen zu können, wie ich das gerne wollte, haben mich sehr belastet.
Dann lernte ich 2016 meinen Mitgründer Lucas Spohn kennen. Er war als Arzt an einem ähnlichen Punkt wie ich, hatte sich aber mit dem Thema Unternehmensgründung schon auseinandergesetzt und stellte mir seine Idee zur Software für Arztpraxen Idana vor. Ich fand, das hat ein riesiges Potenzial und sofort war meine Abenteuerlust geweckt. Es war an der Zeit, den verstaubten Praxisalltag zu digitalisieren und ins neue Zeitalter zu überführen. So gründeten wir zusammen mit unserem dritten Mitgründer und erfahrenen Softwareentwickler Jerome Meinke im Oktober 2016 die Tomes GmbH, die Firma hinter Idana.
BAND: Elevator-Pitch: was ist Ihr Geschäftskonzept in einem Satz?
JK: Mit unserer On-Demand, Trusted Betreuung für Kinder & Alltagshelfer für Senioren schließen wir die Care-Gaps und sind als Arbeitgeber Benefit mit Steuervorteilen für Unternehmen aller Größen und Branchen buchbar.
LR: Würden Sie einen Patienten behandeln ohne genau zu wissen, was er hat? Wahrscheinlich nicht. Denn so ist keine zielführende Behandlung möglich. Eine gute Patientenaufnahme dauert mindestens 20 Minuten, zur Verfügung stehen aber nur 2! Mit so wenig Kennenlernzeit wird jeder Patient zum Überraschungsei und die Folge ist ein unzufriedenstellendes Arztgespräch und im schlimmsten Fall die falsche Behandlung.
Idana ist eine Software für Arztpraxen für die digitale Patientenaufnahme, Anamnese und Aufklärung. Verstehen Sie Idana wie eine sehr gute Medizinstudentin mit unendlicher Zeit. Sie übernimmt die komplette Patientenaufnahme und stellt sicher, dass alle Informationen vorab vorliegen und dokumentiert sind, stellt so eine optimale Behandlung sicher und spart ganz nebenbei 4 Minuten pro Patient. Praxen bezahlen für die Software inklusive Onboarding und Support 1188 € pro Arzt pro Jahr. Dank der 4 Minuten Zeitersparnis pro Patient hat die Praxis nach kurzer Zeit ein Vielfaches des Invests wieder drin.
BAND: Was ist das Ziel Ihres Unternehmens und welche Vision haben Sie für die Zukunft?
JK: Wir möchten Care-Arbeit neu denken und all diejenigen flexibilisieren und unterstützen, die neben ihren Jobs auch Verantwortung für Kinder oder familiennahe Angehörige tragen. Durch die Sicherstellung der Betreuung schaffen wir Planbarkeit und echten ROI für Unternehmen, die diese Services für ihr Mitarbeitenden finanziell unterstützen. Dadurch können sich auch Menschen aus niedrigen Einkommensgruppen unsere hochwertige Betreuung leisten. Für mehr Equality, Chancengleichheit und gegen den Fachkräftemangel.
LR: Idana gibt es, weil wir es als Ärzte nicht ertragen haben, wie weit der medizinische Alltag vom Idealbild entfernt ist. Es brauchte eine Software von Ärzten für Ärzte, die echte Alltagsprobleme in der Praxis behebt und mehr Zeit für die Versorgung schafft.
Bereits heute sind mehr als 1 Mio. Patient:innen digital mit Idana aufgenommen worden. Die Vision ist, dass in 10 Jahren jeder 2. Patient mit Idana digital aufgenommen wird.
BAND: Nehmen Sie öfters an Pitch-Events teil? Erachten Sie dieses Format als wichtig für die Visibilität Ihres Unternehmens?
JK: Ja und absolut. Start-ups wie unseres kennt erstmal keiner – um andere für unsere Innovation begeistern zu können, brauchen wir die Bühne. Und jeder Angel hat ja auch über das Thema Investition noch Kontakte oder eine verantwortliche Position in Unternehmen. Ein doppelter Mehrwert und Grund für unsere BAND Pitch Bewerbung.
LR: Wir haben schon öfter an Pitch Events teilgenommen und auch oft Preise und Förderungen für unsere Idee gewonnen, wie z.B. gleich im 1. Jahr unserer Gründung das Landesfinale des Elevator Pitch Events oder die Innovationsgutscheine High Tech des Landes Baden-Württemberg. Gerade in den ersten Jahren nach der Gründung waren das gute Formate, um das Netzwerk aufzubauen und bekannter zu werden. Wir befinden uns aktuell im Fundraising, deshalb sind Pitch Events für uns gerade wieder aktuell, um Business Angels, VCs und weitere Investoren für unsere Serie A Runde zu gewinnen.
BAND: Haben Sie über unser Event Kontakt zu Angel Investor*innen aufnehmen können? Wofür benötigen Sie im Moment Kapital?
JK: Ja; für den Aufbau des Sales-Teams, Wachstum.
LR: Ja, es haben sich nach dem Event ein paar Angels direkt per Email und LinkedIn an mich gewandt. Mit einem Business Angel sind wir auch tiefer in die Gespräche eingetaucht. Hilfreich wäre im Nachgang vielleicht noch einmal ein Aufruf an die Teilnehmer:innen, sich gerne direkt bei mir zu melden. Mit unserem Unternehmen befinden wir uns jetzt an einem Punkt, an dem alle Teams aufgebaut sind inkl. Middle Management, Vertriebs- und Marketingkanäle sind etabliert und unser Produkt ist bei 700 Kunden deutschlandweit im Einsatz. Wir wissen, wo weitere Finanzmittel am besten investiert sind, um das Unternehmen zu skalieren. Dafür sammeln wir 4 Mio. € ein. Die größten Wachstumstreiber, in die wir investieren werden sind: Aufbau des Partner Sales, Aufbau des Key Account Sales und Entwicklungsressourcen für den Launch wichtiger Produktmeilensteine wie der digitalen Aufklärung und API für Kooperationspartner. So stellen wir sicher, dass wir unseren Wachstumskurs halten und noch steigern werden und unsere Positionierung im Markt als Marktführer zu halten.
BAND: Haben Sie bereits eine/n Angel Investor*in? Wenn ja:
a. wie würden Sie Ihr Verhältnis beschreiben?
JK: Wir haben inzwischen 8 Angel Investor:innen bei uns an Bord und pflegen mit allen eine offene Kommunikation und einen kurzen Austausch bei Updates via WhatsApp. Bei speziellen Fragen und besonderen Herausforderungen können wir auf das Wissen und den Support unserer Angel zurückgreifen.
LR: Ja, wir haben einige Angel-Investoren in unserem Captable, mehr als 10 unserer Kunden sind z.B. selbst Investoren, was uns besonders stolz macht. Wir sind mittlerweile keine unerfahrenen Gründer mehr, wir haben schon mehrjährige Erfahrung mit Investoren, wir können Reporting und kennen unsere Zahlen. Mit uns kann man gut arbeiten und man kann sich auf uns verlassen. Dieses Feedback erhalten wir jedenfalls von unseren Bestandsinvestor:innen. Außerdem nutzen wir regelmäßig die Netzwerke und den Rat unserer Investoren für unser Wachstum.
b. Wie haben Sie sie/ihn gefunden? Wie hat der Entscheidungsprozess stattgefunden?
JK: Unsere ersten Angel kamen über LinkedIn (wir haben Sie kalt angeschrieben) und dann über Empfehlungen im Netzwerk. So hat ein bereits investierter Angel z.B. einen weiteren für uns begeistert und an Bord gebracht.
LR: Die meisten unserer Investoren haben wir über unsere Kunden oder unsere Netzwerke gewonnen. Der Prozess beginnt mit einem Kennenlern-Video-Call, danach teilen wir unseren Datenraum zur detaillierten Einsicht unserer Unternehmenszahlen und bereits meist nach einem 2. Call können beide Seiten schon relativ sicher sagen, ob man zusammenkommt.
BAND: Welche Formate wären für Sie wichtig, um mit potenziellen Angel Investor*innen in Kontakt zu kommen? Haben Sie Wünsche?
JK: Virtuelle Formate wie das genannte Female Funding-Online Event sind schnell und unkompliziert zugänglich, daher aus meiner Sicht gerade als Gründerin sehr gut wahrnehmbar. Zeit und auch Reisekosten sind immer ein Faktor im Start-up. Eine Spezialisierung der Themen oder Start-ups für solche Events könnte noch helfen, um die Vorauswahl für Angel und Start-ups einfacher zu machen z.B. Tech-Fokus oder Health oder HR etc. Am Ende zählt zumindest bei uns, dass es in gewisser Weise smart money ist – sprich KnowHow oder Marktzugang in für uns relevanten Bereichen eröffnet.
LR: Das BAND Pitch Event fand ich super effizient und man hat die Bühne vor einer Vielzahl von potenziellen Investoren erhalten. Es waren so viele Teilnehmer dabei, dass ich mir mehr Rückmeldungen erhofft hatte im Nachgang. Ich stelle mir vor, dass die anderen Start-ups, die nicht den 1. Platz gemacht haben, noch weniger Rückmeldung erhalten haben. Hier wäre vielleicht ein Follow-Up seitens der Veranstalter an die Teilnehmer:innen wünschenswert.
BAND: Was möchten Sie in fünf Jahren erreicht haben?
JK: Die Nummer 1 in DACH für Unternehmen, wenn es um Must-Have Benefits / Wellbeing & Care-Support geht.
LR: In 2023 werden wir zwei große Vertriebsmarken überschritten haben: 1000 Kunden und 1 Mio. € ARR. Außerdem launchen wir zwei große Produktinnovationen, die digitale Aufklärung und die API für Kooperationspartner, mit denen wir weitere Märkte erschließen können. Wenn alles nach Plan läuft, werden wir in 5 Jahren 10.000 Kunden und Break Even erreicht haben und unser Unternehmen auf den Exit vorbereiten. Natürlich möchten wir weiterhin auch bei einer viel größeren Mitarbeiterzahl, immer noch Top Arbeitgeber sein und eine Arbeitsatmosphäre bieten, die motiviert und Spaß macht.
Vielen Dank für Ihre Zeit und die Beantwortung meiner Fragen.
Alles Gute für die Zukunft!