I. Allgemeines
Der Entwurf eines Zukunftsfinanzierungsgesetzes wird von Business Angels Deutschland (BAND) sehr begrüßt. Er geht in vielen Bereichen in eine von uns als richtig und notwendig angesehene Richtung. Er wird dazu beitragen, den Aufwuchs von Start-ups zu fördern und den Finanzierungsmarkt junger Unternehmen zu stärken. Als Verband der Business Angels und ihres Ökosystems stehen für BAND bei unseren folgenden Betrachtungen die Frühphase und die Wachstumsphase von Start-ups im Vordergrund. Weil der Erfolg von Start-ups sich nur einstellt, wenn alle Glieder der Finanzierungskette ihre Funktion stabil erfüllen, halten wir aber auch die vorgesehenen Verbesserungen für den Börsengang von Start-ups für bedeutsam. Das gilt insbesondere für die Absenkung der Mindestmarktkapitalisierung, die Einführung von Mehrfachstimmrechten, die den strategischen Einfluss der Gründer nach dem Börsengang ermöglicht, sowie die rechtliche Absicherung von SPACS.
Ungeachtet der grundsätzlich positiven Bewertung des Entwurfs nehmen wir nachfolgend zu denjenigen Punkten kritisch Stellung, bei welchen wir aus der Sicht der Business Angels als Investoren der Frühphase und teilweise noch der Wachstumsphase dringenden Verbesserungs- oder Änderungsbedarf sehen.
In Bezug auf die Mitarbeiterkapitalbeteiligung geht das Zukunftsfinanzierungsgesetz den mit dem Fondstandortgesetz eingeschlagenen Weg der Ausgestaltung als offene Beteiligung weiter. Auch wenn nicht zu erwarten ist, dass insofern noch eine Korrektur erfolgen könnte, soll doch darauf hingewiesen werden, dass Deutschland sich ohne nachvollziehbare Begründung von den internationalen Standards entfernt und damit isoliert. International fast ausschließlich üblich sind Anteilsoptionen (Stock Options), die in vielerlei Aspekten leichter zu handhaben sind. Insbesondere entsteht bei Aneilsoptionen das bekannte Governance Problem nicht, wonach Investoren es nicht akzeptieren, wenn der Gesellschafterkreis auch mehrere oder gar viele Kleinstgesellschafter umfasst. Bei der offenen Beteiligungsform müssen relativ komplexe gesonderte Regelungen getroffen werden, um diese unerwünschte Folge zu vermeiden.
II. Artikel 16 – Änderung des Einkommensteuergesetzes
1. Zu § 3 Nr. 39 EstG (neu)
Da der Freibetrag jährlich gewährt wird, ist er relevanter für Aktienoptionsprogramme börsennotierter Gesellschaften als für Mitarbeiterbeteiligungsprogramme von Start-ups. Bei diesen ist die Mitarbeiterbeteiligung auf ein einmaliges Ereignis, insbesondere den Exit, bezogen, so dass der Freibetrag auch nur einmal anfällt. Außerdem wird im Start-up Umfeld die Mitarbeiterbeteiligung oft nur ausgewählten Personen angeboten. Nach § 3 Nr. 39 S. 2 EStG kommt der Freibetrag jedoch nur zum Zuge, wenn die Mitarbeiterbeteiligung allen mindestens ein Jahr Beschäftigten zugutekommt.
Wir schlagen daher vor, für Unternehmen im Sinne des § 19a Abs. 3 EstG (neu) den Freibetrag auf 10.000 Euro zu erhöhen und diese Unternehmen von der Voraussetzung des § 3 Nr. 39 S. 2 auszunehmen. Im Übrigen könnte der Freibetrag bei der zurzeit geltenden Höhe belassen werden, da er meist jährlich nutzbar wird.
2. Zu § 19a Abs. 4 Nr. 1 EStG
Es sollte klargestellt werden, dass eine steuerfreie Übertragung der erhaltenen Anteile direkt auf eine private Holding des Arbeitnehmers möglich ist, um Wertsteigerungen zukünftig auf Ebene der privaten Holding nur mit einem Steuersatz von ca. 1,5% zu besteuern
3. Zu § 19a Abs. 4a (neu) EStG
Die Möglichkeit der Pauschalbesteuerung in Verbindung mit der Möglichkeit für den Arbeitgeber, die pauschale Lohnsteuer zivilrechtlich auf den Arbeitnehmer zu übertragen, ist ein begrüßenswerter Ansatz. Dadurch kann die Besteuerung des geldwerten Vorteils im Hinblick auf den Steuersatz weitestgehend mit Kapitaleinkünften gleichgestellt werden. Hier sollte ggfls. noch eine Möglichkeit zur Günstigerprüfung vorgesehen werden, wenn der progressive Steuersatz des Arbeitnehmers niedriger sein sollte oder die sog. Fünftel-Regelung zu einer niedrigeren Besteuerung führen würde.
Trotz dieses Fortschritts ist zu fragen, warum auf halbem Wege stehengeblieben wird. Anstelle von immer komplexer werdenden Regelungen wäre es praktikabler gewesen, eine einfachere Besteuerung mit 25 % bei Verkauf der Beteiligung vorzusehen. Dies hätte das verwaltungsintensive Verfahren des § 19a EStG und der Pauschalbesteuerung nach § 40 EStG überflüssig gemacht.
Gleichfalls hätte man in dieses Verfahren die bislang in Deutschland üblichen virtuellen Beteiligungsmodelle, die aller Wahrscheinlichkeit nicht generell durch die offene Beteiligung abgelöst werden, einbeziehen sollen
4. Zu § 19a Abs. 4b (neu) EStG
Durch die Möglichkeit für den Arbeitgeber, die Haftung für die Lohnsteuer in den Fällen des Ausscheidens von Arbeitnehmern oder spätestens nach 20 Jahren zu übernehmen, wird die Dry Income Problematik entschärft. Dennoch sei darauf hingewiesen, dass ein Arbeitgeber im Bad Leaver Fall kaum die Haftung übernehmen wird
5. Zu § 19a Abs. 5 EStG – Wertermittlung
Nicht gelöst hat der Entwurf die Probleme bei der Wertermittlung, wobei zwischen zwei Themenkomplexen zu unterscheiden ist.
§19a Abs. 5 EStG ermöglicht zur Wertermittlung eine Anrufungsauskunft beim Betriebsstättenfinanzamt. Zulässig ist dies jedoch erst nach der Übertragung der Vermögensbeteiligung. Wichtig für die Beteiligten wäre es, Sicherheit bereits im Vorfeld erlangen zu können. In anderen Ländern, z.B. im Vereinigten Königreich, gibt es die Möglichkeit der Vereinbarung einer gesicherten Bewertung vor der Gewährung der dort üblichen Stock Options mit der Steuerbehörde.
Wir schlagen daher vor, § 19 Abs. 5 EStG so zu ändern, dass die Auskunft vorab eingeholt werden kann.
Besonders praxisrelevant ist auch die Frage, welches Bewertungsverfahren bei Mitarbeiterbeteiligungen stattgreifen soll, obwohl dies gerade bei Start-ups als nichtbörsennotierten Unternehmen oftmals sehr schwierig und streitanfällig ist. Die Feststellung des gemeinen Werts der Beteiligung ist gerade für die darauf aufbauenden lohnsteuerlichen Regelungen, insbesondere die Erfassung des geldwerten Vorteils bei § 19a EStG, von entscheidender Bedeutung.
Um bei der Bewertung von Mitarbeiterbeteiligungen Rechtssicherheit zu schaffen, sollten daher zumindest klarstellende Hinweise (z.B. im Rahmen eines BMF-Schreibens) gegeben werden. Besser wäre es jedoch unter Einbeziehung der betrieblichen Praxis ein Bewertungsverfahren zu entwickeln, um den gemeinen Wert von Beteiligungen an nichtbörsennotierten Start-ups rechtssicher bestimmen zu können. Die Notwendigkeit eines solchen Bewertungsverfahrens zeigt sich insbesondere auch darin, dass selbst die Finanzverwaltung begründete Zweifel bezüglich der Anwendbarkeit der Standardbewertungsmethode für Kapitalgesellschaften, des vereinfachten Ertragswertverfahrens, bei Start-ups hat, die keine Vergangenheitserträge vorweisen können (vgl. ErbStR R B 199.1 Abs. 6 Nr. 2).
III. Neuer Artikel – Änderung des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung
hier: Streichung von § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG
Nach § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG bedürfen sowohl die Abtretung von Gesellschaftsanteilen durch Gesellschafter als auch die Verpflichtung zur Abtretung der notariellen Form. Damit unterscheidet sich das GmbH-Recht nicht nur vom Aktienrecht, sondern auch von ähnlichen Rechtsformen des Auslands. Außer in Österreich und Spanien gibt es nirgends so große Fungibilitätshürden bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen wie in Deutschland.
Bereits jetzt ist diese notarielle Beurkundungspflicht im GmbH-Recht mit Zeitaufwand für die Beteiligten verbunden und verzögert Transaktionen in einem immer schnelllebigeren Markt. Hinzu kommen sehr hohe Notarkosten, die besser für die Entwicklung des Start-ups genutzt werden sollten. Schließlich ist die Anwendung der Regelung über die Verpflichtung zur Abtretung im Einzelfall rechtlich umstritten, was die Praxis erschwert und zu „Sicherheitsbeurkundungen“ führt.
Das Problem verschärft sich, weil das Zukunftsfinanzierungsgesetz erstmals hinreichend praktikable Möglichkeiten schaffen wird, Mitarbeiterbeteiligungen auch über offene Beteiligungen auszugestalten. Der Referentenentwurf hat auch mit der Neuregelung des § 19a Abs. 1 EstG berücksichtigt, dass in der Praxis Gesellschaftsanteile typischerweise nicht von der Gesellschaft, sondern von den Gründungsgesellschaftern gewährt werden. Das bedeutet, dass– anders als bei der heute üblichen virtuellen Mitarbeiterbeteiligung – vor der Gewährung der Anteile erst die notarielle Beurkundung mit einem großen Zeit- und auch Kostenaufwand erforderlich wird.
Dass die Regelungen des § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG aus rechtlichen Gründen nicht erforderlich sind, lässt schon der Blick ins Ausland – wie dargestellt – vermuten. Allgemein anerkannt ist, dass die Formvorschrift nicht dem Schutz der Verkäufer dienen soll und ihr auch keine Warnfunktion zukommen soll. Als Sinn und Zweck der Formvorschrift werden vielmehr die Beweissicherung über die Inhaberschaft der Anteile sowie die Erschwerung des auf Gewinn ausgerichteten spekulativen Handels mit Gesellschaftsanteilen genannt.
Seit der Änderung des § 40 GmbHG durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008 wird der Zweck der Beweissicherung bereits durch die Gesellschafterliste erfüllt. Diese ist nach § 40 Abs.1 GmbHG von den Geschäftsführern mit Angaben zu den Veränderungen in der Person der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung beim Handelsregister einzureichen ist. Die Gesellschafterliste vermittelt Gutglaubensschutz und die Geschäftsführer haften für die Richtigkeit der Einreichung.
Ein spekulativer Handel mit Gesellschaftsanteilen, der aus Gründen des Schutzes von Unternehmen und Gesellschaftern vermieden werden soll, lässt sich gem. § 15 Abs. 5 GmbHG durch eine Satzungsregelung verhindern, die die Abtretung von Gesellschaftsanteilen von der Genehmigung der Gesellschaft abhängig macht. Bei den meisten Gesellschaften ist eine derartige Reglung ohnehin Praxis.
Während das Aktienrecht mit der Einführung elektronischer Aktien ins digitale Zeitalter geführt wird, verharrt die für Start-ups übliche Rechtsform der GmbH hinsichtlich der Fungibilität von Anteilen auf dem Stand von 1892, dem Inkrafttreten des GmbH-Gesetzes. Bei der Konkurrenz der internationalen Start-up Standorte hat Deutschland dadurch einen nicht unerheblichen Bürokratienachteil. Die nun – wie zu erwarten – häufiger genutzte Form der offenen Mitarbeiterbeteiligung wird unnötig erschwert und verteuert. Das Zukunftsfinanzierungsgesetz sollte auch insoweit das Versprechen einlösen, das sein Name suggeriert. § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG sollten ersatzlos gestrichen werden.
DieBAND Stellungnahme zum Entwurf des Zukunftsfinanzierungsgesetzes wurde unter fachlicher Unterstützung von Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Weitnauer, Weitnauer Rechtsanwälte, Rechtsanwalt Dr. Dinh V. T. Phan, Counsel und Steuerberater Florian Merkle, beide Osborne Clarke, sowie Rechtsanwalt Björn Weidehaas, Lutz | Abel, erstellt.