15. Juni 2015

„Jeder Mittelständler sollte mindestens ein aktives Business Angel Investment haben“


In unserer Reihe der BANDlisting Angels Porträts sprechen wir heute mit Alfred Möckel, Angel Investor aus Berlin, über Fintech, Qualität von Start-ups und politische Rahmenbedingungen für Angel Investments.

Herr Möckel, Sie sind bereits seit 2003 als Business Angel aktiv. Davor waren Sie in leitenden Funktionen in der Bankenbranche tätig, zuletzt als CEO der Consors Capital Bank AG. Landläufig stehen die meisten Banken nicht in Verdacht, sich besonders auf Start-ups zu fokussieren. Wie haben Sie den Schritt zum Angel Investor vollzogen? Welche Berührungspunkte gab es schon vorher?

Als für den Kapitalmarkt verantwortlicher Vorstand der BHF-BANK war ich für eine Vielzahl von Börsengängen auch am Neuen Markt zuständig – einige dieser Emissionen haben sich übrigens entgegen der allgemeinen Erinnerung bis heute sehr gut entwickelt.

Mit der Gründung der Consors Capital Bank AG als erste Online Investment Bank mit Vollbanklizenz konnte ich auch selbst eine Menge Start-up-Erfahrung sammeln. Nach meinem Exit und Umzug nach Berlin im Jahr 2003 habe ich mich verstärkt als Business Angel um Start-ups gekümmert, um dort meine Erfahrung und mein Netzwerk einzubringen. Anfangs war es gar nicht so einfach, die richtigen Start-ups zu finden, da das Thema vor über 10 Jahren nicht nur in Berlin kaum bekannt war.

Ein großes Thema sind momentan ja Fintech Start-ups. Als jemand, der auch die Seite der Banken nachvollziehen kann: Wie bewerten Sie diesen Trend der Start-up Szene? Sind Sie selbst in Fintech Unternehmen investiert?

Mein erstes Investment als Business Angel war 2003 in der Finanzbranche. Die Ariad Asset Management GmbH entwickelt anhand quantitativer Modelle Absolut-Return Produkte für institutionelle und private Investoren und entwickelt sich ganz ordentlich. Besonders spannend ist ein Ansatz, der eine Aktienauswahl auf Basis von Patentwerten umsetzt.

Ich habe mir inzwischen einige Fintech Ideen in Deutschland angesehen. Viele davon sind recht einfache Kopien erfolgreicher Unternehmen in den USA. Die großen Banken sind weltweit im Online-Geschäft nicht sonderlich technik- und kundenfreundlich. Das schafft Raum für innovative neue Wettbewerber in den Bereichen smarter Bezahlsysteme, Kreditvermittlung bzw. -vergabe oder Kapitalanlage.

Das Rocket Start-Up Lendico (“günstige Kredite von Mensch zu Mensch”) hat beispielsweise gerade eine Schrumpfkur hinter sich und konnte dennoch 20 Mio. € frisches Kapital erhalten. Ebenso konnte das erst im Januar gestartete Team von number26 (“Europas modernstes Girokonto”) mit weniger als 10k Kunden kürzlich 10 Mio. € aufsammeln.

Ob insbesondere die bestehenden Online-Banken, wie z.B. in Deutschland die Consors Bank, die innovativen Geschäftsideen den neuen Mitspielern kampflos überlassen, halte ich allerdings für unwahrscheinlich. Um wirklich erfolgreich zu sein, werden die meisten Wettbewerber nicht umhinkommen, eine Vollbanklizenz zu erwerben. Das ist teuer und ein extrem aufwändiger Prozess. Die aktuell sehr anspruchsvollen Bewertungen der Fintech Start-ups müssen sich daher erst noch beweisen. Es wird hier über kurz oder lang einen harten Selektionsprozess geben.

Was die meisten Gründer interessieren dürfte: Wie lernen Sie Ihre Start-ups kennen? Verlassen Sie sich auf Ihr persönliches Netzwerk oder nutzen Sie auch andere Kanäle?

Viele Investmentideen kommen tatsächlich aus meinem lange bestehenden Netzwerk. Darüber hinaus schaue ich mich aber auch auf Innovationsforen und VC-Messen um. Ganz besonders interessant fand ich das 4. Investmentforum, das am 24.3.2015 hier in Berlin stattfand und gemeinsam vom BMWi und BMBF organisiert wurde. Unter den fast 100 jungen Unternehmen fanden sich einige sehr vielversprechende neue Ideen. Sehr gerne arbeite ich auch mit der IBB-Beteiligungsgesellschaft zusammen, die für ihre Investments immer private “Spiegel-Investments” suchen muss.

Viele Business Angels vertrauen bei Ihren Investments letztlich eher dem Bauchgefühl bzw. setzen auf die Chemie zwischen Gründern und Angel, da für eine intensive Prüfung des Unternehmens kaum Zeit bleibt und die Voraussetzungen für eine Due Diligence in der Seedphase nicht immer gegeben sind. Auf welcher Grundlage entscheiden Sie, in welche Unternehmen Sie investieren?

Mein Bauchgefühl ist durchaus mit entscheidend. In der Seedphase ist eine umfangreiche Due Diligence kaum möglich, da oft noch kein marktfähiges Produkt und schon gar kein Proof of Concept vorliegt. Selbstverständlich müssen bestehende Verträge geprüft werden und ein sinnvoller Businessplan vorliegen. Ganz wichtig sind allerdings das Marktsegment und die Geschäftsidee. In einem schrumpfenden Markt mit zu vielen Wettbewerbern, oder einem, der mittelfristig durch neue Technologien verdrängt wird, hat es die beste Idee schwer, erfolgreich zu sein. Weiterhin darf die Idee nicht zu leicht kopierbar sein, sonst kann es passieren, dass (im positiven Sinn) aggressive Investoren nach einer viel versprechenden Anlaufphase die Idee kopieren und mit viel Geld eine Marktdurchdringung erreichen, die einem nur knapp finanzierten Seed-Unternehmen verwehrt bleibt.

Die Bewertung der Unternehmen ist ebenso ausschlaggebend. Da ich als Business Angel nicht nur mit Kapital, sondern auch mit Rat, Tat und meinem Netzwerk einsteige, muss mein Anteil am Unternehmen nahe 10% oder darüber liegen, um meine “kostenlosen” Aktivitäten zu rechtfertigen. Das bedeutet meistens auch, dass ich in einer sehr frühen Phase investiere.

Ein Business Angel Investment ist häufig nur das erste Glied in einer längeren Finanzierungskette. Welche Erfahrungen haben Sie mit Folgefinanzierungen durch Venture Capital Fonds gemacht?

VC-Fonds möchten in der Regel gerne die Anzahl der Beteiligten überschaubar halten. Oft werden daher Business Angels bei dieser Gelegenheit nicht verwässert, sondern heraus gekauft. Mein bester Exit war der Rückkauf zu einem Vielfachen meines Investments durch einen sehr erfolgreichen Gründer, nachdem das Geschäftsmodell geradezu explodiert ist. Ansonsten kenne ich derzeit mehr strategische Investoren, die sich mit den jungen Unternehmen mehr Dynamik und technisches sowie Markt-Know-How für ihr eigenes Unternehmen einkaufen.

Sobald sich die Möglichkeit eines Exits über einen Börsengang wieder verbreitert, werden auch mehr VC-Fonds auf der Käuferseite auftreten, da für diese wiederum eine überschaubare Investitionsdauer relevant ist. Die Initiative “Deutsche Börse Venture Network” ist hier leider nur ein halber Schritt. Da gibt es wohl bei der Deutschen Börse noch zu viele verbrannte Finger vom Neuen Markt.

Wenn sich die Deutsche Börse – bei der ich übrigens für einige Jahre im Aufsichtsrat saß – hier aber weiter sträubt, gibt es Raum für Wettbewerber. Ich bin gespannt, wer sich hier als Innovationsführer herauskristallisiert – Berlin wäre ein perfekter Ort dafür.

Sicherlich erreichen Sie regelmäßig viele Businesspläne. Wie schätzen Sie die Qualität der Gründungen in Deutschland ein? Hat es in den letzten Jahren eine Entwicklung gegeben?

Die Businesspläne und Excel-Tabellen haben sich in den letzen Jahren deutlich verbessert. Offensichtlich haben viele Gründer inzwischen die einschlägige Literatur gelesen und verstanden. Das macht es allerdings eher schwieriger, schnell die Spreu vom Weizen zu trennen, da nicht mehr so deutlich wird, wofür das Gründerteam wirklich brennt, oder ob nur gewünschte Antworten reproduziert werden. Das kann man letztlich nur mit entsprechender Menschenkenntnis und dem schon angesprochenen Bauchgefühl in persönlichen Gesprächen herausfinden.

Es ist allerdings deutlich zu spüren, dass es inzwischen mehr Unternehmergeist bei Hochschulabsolventen gibt. Die größte Herausforderung ist es, Forscher und Kaufleute an einem Strang ziehen zu lassen. Bei meinen Assessment-Center Treffen beim BMBF habe ich ab und zu noch das Gefühl, dass hier die tollsten Dinge am Markt vorbei entwickelt werden – nach dem Motto: “Wir haben eine tolle Lösung, jetzt müssen wir nur noch das Problem suchen”.

Die regionalen Wachstumskerne im BMBF sind hier ein gut funktionierendes Regulativ.

Ein deutlicher Schwachpunkt ist oft noch der Vertrieb. Viele glauben, dass bei einem attraktiven Produkt die Käufer von alleine Schlange stehen. Das klappt meist nicht.

Leider wird noch immer nur ein Bruchteil des privaten Kapitals hierzulande in junge Unternehmen investiert. Wie würden Sie Neueinsteiger motivieren, sich als Business Angel zu versuchen?

VC-Investitionen (Seed, Start-up, Later Stage-Venture Capital) waren im Jahr 2014 leider sogar rückläufig (650 Mio. € nach 720 Mio. €). Es ist schwer, hier offizielle Zahlen zu bekommen, aber es scheint Konsens zu sein, dass VC-Investments sich in den letzten Jahren im Durchschnitt nur im kleineren einstelligen Prozentbereich rentiert haben. Das ist für das übernommene Risiko nicht sonderlich attraktiv – als Business Angel muss man nicht nur tiefe Taschen, sondern insbesondere auch gute Nerven haben.

Dankenswerter Weise hat sich BAND erfolgreich für den 20%igen Zuschuss für Angel-Investments durch das BAFA eingesetzt. Damit erreichen Business Angels tatsächlich ein besseres Chancen/Risiko-Verhältnis.

Ebenso ist die aktuelle steuerliche Belastung von Veräußerungsgewinnen aus Streubesitz attraktiv, da damit wirkungsvoll Doppelbesteuerungen vermieden werden und Mittel aus erfolgreichen Exits nahezu vollständig wieder in neue Start-ups investiert werden können. Auch hier ist die Initiative von BAND sehr zu begrüßen, eine Verschlechterung durch den Bundesrat abzuwenden.

Ich gehe allerdings davon aus, dass sich die Renditen in den nächsten Jahren deutlich verbessern. Börsengänge wie Zalando und Rocket Internet, die inzwischen jeweils mit ca. 7 Milliarden € bewertet sind, erreichen inzwischen doch eine breitere Öffentlichkeit. Leider sind die meisten Investoren prozyklisch; wenn überall steht, wie toll sich ein Marktsegment entwickelt, wird dort im großen Stil investiert. Dann sind allerdings die besten Renditechancen schon längst passé.

Für wohlhabende Unternehmer gibt es aber noch einen ganz anderen wichtigen Aspekt. Die Auseinandersetzung mit jungen innovativen Teams, Techniken und Märkten führt zu einer deutlichen Horizonterweiterung. Eigentlich sollte jeder Mittelständler mindestens ein aktives Business Angel Investment haben, um für sein eigenes Unternehmen, das selbstverständlich kein direkter Wettbewerber sein darf, die richtigen Weichenstellungen vornehmen zu können. Die dort gewonnenen Erkenntnisse sind oft mehr wert als die besten Beratungsmandate.

Kontakt:
alfred.moeckel@alubi-capital.de

Mit Alfred Möckel sprach BAND Projektmanager Matthias Wischnewsky

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