Das von der Bundesregierung als „Schutzschild“ für die Wirtschaft beschlossene Maßnahmenpaket sieht ausdrücklich für davon nicht ausreichend erfasste Gruppen und Branchen Sonderprogramme vor. Business Angels Netzwerk Deutschland (BAND) hat unter Einbeziehung seiner Mitglieder einen Vorschlag erarbeitet, der für Angel finanzierte Start-ups und auch darüber hinaus geeignet erscheint, bei den Start-ups die größten Belastungen durch die Krise abzufedern.
Ganz allgemein müssen die Hilfen schnell und unbürokratisch bei den Start-ups ankommen, d.h. den organisatorischen Möglichkeiten von kleinen Unternehmen mit wenigen Mitarbeitern angemessen sein.
Die Maßnahmen sollten nicht alternativ, sondern kumulativ zur Verfügung stehen.
Dies vorausgeschickt schlagen wir vor:
1.
Haftungsfreistellung bei Wandeldarlehen im Rahmen des Erwerbszuschusses von INVEST
Für viele Start-ups, die jetzt während der Krise eine Anschlussfinanzierung geplant hatten, wird es schwierig werden, diese umzusetzen, weil die Investoren eher abwarten werden, wie sich die Gesamtsituation weiter entwickeln wird. Platzen die Finanzierungen, droht schnell die Illiquidität. Auch nach der Krise wird es einige Zeit dauern, bis das Finanzierungsgeschehen sich wieder erholt hat.
Wir schlagen daher vor, für einen Zeitraum von einem Jahr, der aber je nach der Dynamik der Entwicklung verkürzt oder verlängert werden kann, Wandeldarlehen im Rahmen des Programms INVEST – Zuschuss Wagniskapital aus den Mitteln des INVEST Programms in der Haftung freizustellen.
Die Haftungsfreistellung sollte im Regelfall 80 % betragen. Der Maximalbetrag der teilweise haftungsfreigestellten Darlehen könnte sich an den nachgewiesenen Brutto-Personalkosten inkl. externer Dienstleister für die Laufzeit des Wandeldarlehens orientieren.
Vorteile sind,
- dass damit privates Kapital zur Bewältigung der Krise mobilisiert wird,
- Business Angels das Start-up sehr gut beurteilen können und ihm auch hilfreich zur Seite stehen,
- Wandeldarlehen als Nachrangdarlehen die Bilanz nicht belasten,
- es sich um ein Instrument handelt, das im Markt akzeptiert wird,
- eine rechtliche Standardisierung durch den GESSI Standardvertrag „Wandeldarlehen“ vorliegt,
- die Bearbeitung durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) anerkannt schnell und zügig erfolgt,
- die Maßnahme ohne großen Aufwand realisierbar ist.
Zur Abwicklung können die zur Verfügung gestellten Mittel genutzt werden und ein Prozentsatz von 80 % verhindert missbräuchliche Nutzung.
Ergänzend könnten, um Illiquidität bis zur Finanzierungsrunde zu vermeiden, die KfW bzw. die Landesförderbanken oder die Bürgschaftsbanken – zu ähnlichen Konditionen wie zu INVEST beschrieben – Kreditbürgschaften für Darlehen übernehmen, die Angels und andere als Bridge an Start-ups vergeben, bzw. Rückbürgschaften für Überbrückungskredite der Angels übernehmen.
Ein solches Verfahren müsste schnell eingerichtet werden und die Abwicklung müsste binnen zwei Wochen über einen Online Antrag möglich sein.
2.
Darlehen der KfW
Auch, weil nicht alle Start-ups INVEST fähig sind, sollte zusätzlich das klassische Förderdarlehen verschlankt und der Situation angepasst werden. Eine Begrenzung des Alters des Start-ups wie bei INVEST auf sieben Jahre ist denkbar.
Start-ups könnten online bei der KfW bzw. bei den für diese handelnden Landesförderbanken für eine z.B. dreimonatliche Burnrate (je nach Dynamik des Geschehens auch für eine längere Zeit) einen zinslosen oder zumindest sehr niedrig verzinsten Kredit mit zwei Jahren Laufzeit beantragen. Die Antragsprüfung muss auf sofort verfügbare Bonitätsinformationen beschränkt bleiben, auch bei Fehlen von aktueller Betriebswirtschaftlichen Auswertungen (BWA). Eine persönliche Haftung der Gründer/Gesellschafter muss ausgeschlossen sein. Wenn die Maßnahme Erfolg haben soll, muss die Auszahlung sehr schnell erfolgen, spätestens nach zwei Wochen.
Sollte trotz der bekannten Schwierigkeiten des Hausbankprinzips für Start-ups an diesem festgehalten werden, müssten die Banken vollständig von der Haftung freigestellt und die zügige Bearbeitung gesichert werden.
3.
Personalkostenzuschüsse und Stundung von Sozialversicherungsbeiträgen
Da Kurzarbeit, wie dargestellt, für Start-ups Stillstand, Verringerung der Marktchancen und damit in vielen Fällen das Aus für das Startup bedeuten kann, sollten die Mitarbeiter möglichst voll weiter beschäftigt werden können.
Vorgeschlagen werden daher Personalkostenzuschüsse von 50 % für fest angestellte Mitarbeiter, die am 01.03.2020 bereits angestellt waren, wenn eine positive Gesamtprognose aufgrund des Businessplanes für 12 Monate plausibel ist. Die Regelung solle für einen Zeitraum vom bis zu sechs Monaten mit der Maßgabe einer Verlängerungsmöglichkeit für den Fall einer zeitlichen Ausdehnung der Krise gelten.
Ergänzend sollten die Sozialversicherungsbeiträge zinslos über den gleichen Zeitraum gestundet werden.
4.
Insolvenzrecht zeitlich begrenzt modifizieren
Für Neugründungen bis zum siebten Jahr nach Gründung sollte das Insolvenzrecht für zunächst sechs Monate insofern modifiziert werden, als der Insolvenzgrund der „drohenden Zahlungsunfähigkeit“ ausgesetzt wird. Die Sorge vor der bilanziellen Überschuldung, die für Start-ups auch schwer einzuschätzen ist, könnte so für eine gewisse Zeit genommen werden.
5.
Umsatzsteuer flexibel anpassen
Es sollten nicht nur, wie vorgesehen, Zahllasten temporär gestundet werden, sondern auch Vorsteuerüberhänge sofort ausgezahlt werden.
Warum ein solcher „Schutzschild“ für Angel finanzierte Start-ups
Start-ups werden durch die Corona Krise noch stärker und anders als andere Unternehmen in eine prekäre Lage gestürzt. Sie finanzieren sich meist über Eigenkapital, nicht über Kredite (die sie mangels Sicherheiten und bereits bewährtem Geschäftsmodell kaum erhalten können). Die Finanzierung findet üblicherweise in mehreren Finanzierungsrunden in zeitlichen Abständen von ein bis zwei Jahren statt. In der Frühphase erfolgt die Finanzierung über Business Angels, Crowd Investing, Seed Fonds und anschließend mehr und mehr durch institutionelle VC. In der Krise ist zu erwarten, dass dringend notwendige und eingeplante Anschlussfinanzierungen angesichts der ungewissen Gesamtlage scheitern oder stocken und in Folge dessen die Start-ups in die Liquiditätsfalle geraten.
Soweit Start-ups bereits Produkte oder Dienstleistungen erbringen, wird es für sie noch schwerer sein als für andere Unternehmen, die allgemeine Marktdepression durchzustehen und Kunden für sich zu überzeugen, so dass vorgesehene Umsätze nicht eintreffen.
Wird Start-ups jetzt in der Krise nicht ausreichend geholfen, bedeutet dies in gesamtwirtschaftlicher Hinsicht, dass für längere Zeit weniger Start-ups gegründet werden und der Finanzierungsmarkt durch Business Angels und VC ebenfalls längere Zeit brach liegen wird. Dies haben die Erfahrungen der Krise 2000/2001 gezeigt. Denn Angels und VC würden jetzt sehr viel Geld verlieren mit der Folge, dass diese Anlageklasse für längere Zeit gemieden würde.
Angesichts dieser Situation kann das „Maßnahmenbündel der Bundesregierung“ zur wirtschaftlichen Bewältigung der Krise („Schutzschild“) für Angel finanzierte Start-ups leider nur eine sehr begrenzte Wirkung entfalten:
- Steuerstundungen, mit Ausnahme der Umsatzsteuer, sind nur selten hilfreich, weil Start-ups in den ersten Jahren nach Gründung noch Verluste erleiden.
- Die angekündigten KfW- und Bürgschaftsprogramme für Liquiditätshilfen zielen darauf ab, dass die Unternehmen nachgewiesen haben, dass das Geschäftsmodell bereits funktioniert (hat) und dass keine anderen Gründe vorliegen, die zu der prekären Lage geführt haben. Die öffentlichen Mittel werden nur dann bewilligt, wenn die Hausbank ein positives Feedback zur Unternehmens-Performance und zum Unternehmer gibt. Selbst wenn Start-ups diese Voraussetzungen erfüllen, zeigt die Erfahrung, dass der Weg kompliziert und langwierig. Die Gründe sind:
- Die Hausbank haftet selbst zu 20 %.
- Unternehmen müssen trotz Krisensituation den üblichen, langwierigen Antragsprozess wie bei einer klassischen Finanzierung durchlaufen, d. h. es wird erwartet, dass Bilanzen, BWA’s und weitere bonitätsrelevante Unterlagen vorgelegt werden, die oft erst noch vom Steuerberater erstellt werden müssen.
- Die wenigsten Start-ups erfüllen derzeit die erforderlichen Kriterien.
- Die Unternehmer werden selbst in Mithaftung genommen, was bei Eigenkapital finanzierten Start-ups unüblich und abschreckend ist.
- Das Kurzarbeitergeld hilft Start-ups relativ selten, weil sie anfangs nur wenig Personal haben, das sie aber weiter beschäftigen müssen, um Aufbau von Marketing- und Vertriebsstrukturen, Internationalisierungsumsetzungen sowie die technischen Weiterentwicklungen voranzutreiben. Das Aussetzen dieser Arbeiten während der Krise ist nicht zu vertreten, weil es die die späteren Marktchancen erheblich beeinträchtigen würde. Das gilt auch für Kurzarbeit und Personalreduzierung, wenn bereits erste Produkt und Dienstleistungen vertrieben werden. Wo Kurzarbeitergeld in Betracht kommt, ist es allerdings eine gute und sinnvolle Maßnahme.
- Steuervorauszahlungen sollen laut Maßnahmenpaket kompliziert und schnell herabgesetzt werden, sobald klar ist, dass die Einkünfte der Steuerpflichtigen im laufenden Jahr voraussichtlich geringer sein werden. Bei Start-ups könnte dies aber nur für die Umsatzsteuer relevant sein, allerdings nur dann, wenn bereits Umsätze erzielt werden.
Der „Schutzschild“ der Bundesregierung sieht auch für Unternehmen, die krisenbedingt vorübergehend in ernsthaftere Finanzierungsschwierigkeiten geraten sind und daher nicht ohne Weiteres Zugang zu den bestehenden Förderprogrammen haben, zusätzliche Sonderprogramme der KfW vor, die für Start-ups eher in Betracht kommen als die allgemeinen Programme. Die Haftungsfreistellungen der Hausbanken sollen bei Betriebsmitteln bis zu 80%, bei Investitionen bis zu 90 % erreichen.
Ein derartiges Sonderprogramm ist für Investitionen, abhängig von der Ausgestaltung im Einzelnen, ein Weg, der begrüßt wird, da hier der Zeitfaktor eine geringere Rolle spielt. Für Betriebsmittel sehen wir ähnliche Schwierigkeiten wie bei Nutzung des allgemeinen KfW- und Bürgschaftsprogramme. Die vorgeschlagene Nutzung des INVEST Programms und die weiteren von BAND gemachen Vorschläge erscheinen uns wesentlich zielführender.
Kontakt:
Dr. Roland Kirchhof
kirchhof@business-angels.de
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