Informelle Wagnisfinanzierer konnten im 4. Quartal 2022 außergewöhnlich viele Beteiligungen lukrativ veräußern. Die Mehrheit gibt an, auch dauerhaft deutlich zweistellige Renditen zu realisieren.
Aktuell ist ganz schön was los bei den Business Angels: Zum einen ist da die erfreuliche Zusage des Bundeswirtschaftsministeriums, dass das „Invest“-Förderprogramm bis Ende 2026 fortgesetzt wird. In seiner aktuellen Fassung sieht es vor, dass die Gründungsfinanzierer bis zu 25 % ihrer Investitionen bezuschusst bekommen, wenn sie mindestens 10.000 € locker machen. Kleiner Wermutstropfen: Pro natürlicher Person ist das Gesamtzuschussbudget auf 100.000 € begrenzt. Dabei werden Erwerbszuschüsse aus den vergangenen zehn Jahren einbezogen.
Weniger erfreulich ist, was gerade auf dem Markt für Venture Capital (VC) passiert ist: Laut KfW brach dort das Dealvolumen im Schlussquartal 2022 um satte 40 % ein. Business Angels wird das bekümmern, weil sie ihre Anteile eigentlich regelmäßig an die institutionellen Wagnisfinanzierer weiterverkaufen.
Und wie reagieren die himmlischen Gründungsförderer nun auf diese gemischte Wetterlage? Genau so, wie sie es fast immer tun: mit sonnigem Gemüt! Ihre Laune jedenfalls hat sich zuletzt deutlich aufgehellt. Das zeigen die jüngsten Ergebnisse des Business Angels Panels.
Aufschwung bei Geschäftslage und Geschäftsaussichten
Die Befragten bewerteten ihre Geschäftslage zum Ende des Jahres 2022 mit 4,63 Punkten. Im 3. Quartel hatte der Wert noch bei 4,1 gelegen. Dabei reicht die Skala von 1 (=sehr schlecht) bis 7 (=sehr gut).
Einen Aufschwung gab es auch bei den Geschäftsaussichten. Hier kletterte das Barometer von 4,71 auf 4,97 Punkte. Beide Werte nähern sich damit – nach Corona-Schock, der zwischenzeitlichen Rekordinflation und dem anhaltenden Krieg in der Ukraine – wieder dem langjährigen Durchschnitt an.
Exitbilanz glänzt mit Rekordwerten
Die Exitbilanz dürfte dazu beigetragen haben: Die 35 Teilnehmer der jüngsten Befragung meldeten stolze 13 Exits. In der inzwischen 21-jährigen Geschichte des Panels waren es in nur fünf Quartalen mehr. Doch damit nicht genug: Mit nur einer einzigen Ausnahme waren alle Desinvestitionen tendenziell lukrativ: Sechsmal wurden die Unternehmensanteile an einen strategischen Investor verkauft („Trade Sale“), zweimal an einen anderen Finanzinvestor („Secondary Purchase“), viermal kauften die Gründer die Stücke ihres Kuchens zurück. Mit anderen Worten: Nur in einem einzigen Fall trennten sich die Wege von Start-up und Investor auf dem Unternehmensfriedhof – also im Rahmen einer Insolvenz. Ein so positives Verhältnis aus Masse (Zahl der Exits) und Klasse (Rentabilität) gab es noch nie.
Sind die Gründungsförderer also voller Elan, befeuert von vollen Kassen? Eher nein. Jedenfalls wurden – genau wie im Vorquartal – schon knapp 68 % aller für Angel-Investments vorgesehenen Mittel ausgegeben. Umgekehrt heißt das: Frei verfügbar ist weiterhin nur knapp ein Drittel aller einschlägigen Euros. Verantwortlich dafür dürften konjunkturelle Unsicherheiten sein: Niemand kann so recht absehen, wie es wirtschaftlich weitergeht in den nächsten Monaten und Jahren. Dementsprechend werden hier und dort Notgroschen gehortet.
Das heißt aber nicht, dass sich die Investoren nicht parallel umsehen würden nach neuen Deals: Durchschnittlich hat jeder Panel-Teilnehmer im vierten Quartal immerhin 3,1 Beteiligungsgespräche geführt. Das ist mehr als der langjährige Durchschnitt. Und auch die Zahl der neu ratifizierten Engagements kann sich sehen lassen: Fast jeder zweite Business Angel (47 %) hat frisches Kapital locker gemacht – einige auch mehrfach. Würde die Gesamtzahl der neuen Deals auf die 35 Teilnehmer umgelegt, so ergäbe sich sogar eine Investitionsquote von 90 % – ein vergleichsweise hoher Wert. Rechnerisch holte jeder Investor knapp 52 000 € aus seinem Portemonnaie.
Umwelttechnik bleibt das liebste Investitionsziel
Und wer darf am ehesten mit einer himmlischen Finanzspritze rechnen? Die Umwelttechniker – schon zum vierten Mal in Folge! Auf Platz zwei vorgeschoben haben sich Softwareanbieter. Sie verdrängten Energieexperten auf Rang drei. Von Platz sieben auf Platz vier kletterten Medizintechniker, gefolgt von den Entwicklern neuer Materialien. Zuletzt auf Platz 5 gestanden hatten Industrieautomatisierer. Sie wurden durchgereicht bis auf Platz 8. Mit Blick auf die letzten fünf Jahre fällt auf, dass die Investoren beim Thema Industrie 4.0 recht wankelmütig sind. Mal schaffen es die einschlägigen Experten auf Platz 2, dann wieder landen sie abgeschlagen am Ende der Top 10. Deutlich stetiger sind Einzelhändler: Sie halten, wie eigentlich immer, die rote Laterne.
In den Zusatzfragen des jüngsten Panels wurde u. a. erhoben, wie die Teilnehmer aktuell arbeiten. Ergebnis: 31 % sind hauptberuflich Investor, 69 % gehen mindestens einer weiteren Tätigkeit nach.
Im Rahmen einzelner Deals setzt die große Mehrheit auf Kooperationen: Nur 28 % der Befragten steigt in weniger als einem Viertel aller Fälle alleine in Start-ups ein. Umgekehrt sagen 53 %, dass sie bei mindestens drei von vier Beteiligungen einen Syndizierungspartner an ihrer Seite haben.
Jeder Vierte erreicht eine Rendite von über 50 %
Besonders spannend: die Teilnehmer waren aufgerufen, ihre Rendite über alle bisherigen Beteiligungen zu überschlagen. Ergebnis: Lediglich knapp 14 % gehen von negativen Zahlen aus. Auf der anderen Seite, also im positiven Bereich, ist die Spannweite groß: Satte 27,6 % meinen, über 50 % Rendite erreicht zu haben. Genau so viele Teilnehmer ordnen sich allerdings im Intervall von 1 % bis 10 % ein. Ein knappes Drittel kommt auf 11 % bis 50 %. Interessant: Dieselbe Frage wurde schon einmal 2010 gestellt. Auch damals variierten die Renditen deutlich – aber auf einem niedrigeren Durchschnittsniveau. Wer jetzt neidisch ist, sollte sich vor Augen halten: Totalausfälle sind keine Seltenheit, das Risiko ist also hoch.