Wenn Business Angels sich für ein Investment in ein Start-up entscheiden, ist dies ein relativ aufwändiger Prozess, der durchaus dauern kann und oft drei Monate oder mehr in Anspruch nimmt. Das gilt im Prinzip auch bei der Finanzierung über ein Wandeldarlehen, obwohl die Abläufe dort beschleunigt sind.
Andererseits ist bei vielen Business Angels die Zahl der Investmentmöglichkeiten, die zur Auswahl vorliegen, sehr groß. Sind sie z.B. bei Business Angels Netzwerk Deutschland (BAND), dem Bundesverband der Business Angels, akkreditiert, flattern ihnen vierzehntägig um die dreißig One Pager von Start-ups auf der Suche nach einem Investor ins Haus. Außerdem besuchen Angels meist verschiedene Pitch Veranstaltungen, z.B. bei einem der 40 deutschen Business Angels Netzwerke, sie erhalten Dossiers von Freunden oder kommen über Businessplan-Wettbewerbe, Acceleratoren und Inkubatoren mit Start-ups in Kontakt. Schnell können es in einem Jahr mehr als 1000 Investmentmöglichkeiten sein.
Spätestens jetzt ist jedem klar, es muss einen möglichst strukturierten Auswahlprozess geben, der sinnvollerweise mehrere zeitliche und inhaltliche Filter umfasst, bis am Schluss die erhofften Nuggets hängen bleiben.
Filter 1: Grobe Vorauswahl nach dem Investitionsfokus
Als Erstes werden Investoren darauf achten, ob das Start-up ganz allgemein in seinen Investitionsfokus fällt. Kriterien können bestimmte Branchen oder Technologien sein, weil sich der Angel hier auskennt oder besonders gute allgemeine Zukunftschancen sieht. Dann sollte die Größe des geforderten Investments zu seinen finanziellen Möglichkeiten und seiner Investitionsstrategie passen. Manche Angels investieren nur im regionalen Umfeld, andere nur in Deutschland oder in der DACH Region oder es handelt sich um Spezialisten für eine bestimmte Weltgegend, etwa für Afrika. Obwohl die meisten Angels die Seed-Phase oder gar die Pre-Seed Phase der Start-ups bevorzugen, steigen andere wiederum erst in späteren Finanzierungsrunden ein.
Die Kriterien dieser Vorauswahl sind also sehr individuell, was einerseits bedeutet, dass auch sehr spezifisch ausgerichtete Start-ups eine Chance haben, andererseits aber die Suche nach einem Investor dadurch nicht erleichtert wird. So gibt es z.B. nur sehr wenige Business Angels Netzwerke, die eine Branchenorientierung haben. Erste Ansätze dafür sind vorhanden im Food & Beverage Sektor, bei Med & Health, bei Chemie und beim Klimaschutz.
Filter 2: Wachstumspotenzial bestimmt Exitchancen
Gründerteams, die einen Business Angel als Investor suchen, sollten sich über die Antwort auf eine Frage im Klaren sein: Was möchte der Investor, der mir gegenübersitzt, mit dem Engagement in meinem Start-up erreichen? Nun, neben dem Spaß an der Begleitung eines jungen Unternehmens möchte er einen erfolgreichen Exit vollziehen, d.h. mit seinem Investment irgendwann einmal auch Geld verdienen.
Deswegen achten Investoren – das müssen sich Gründerinnen und Gründer immer vor Augen halten – vor allem darauf, dass das Geschäftsmodell funktionieren kann und Wachstumspotential enthält. Nur dann kann man auf einen Exit hoffen und als Investor Geld verdienen. Zu beantworten ist in diesem Zusammenhang, ob es einen Kundennutzen gibt, wie groß der Markt ist, der erobert werden kann, welche Widerstände anderer Marktteilnehmer zu erwarten sind und ob Marketing und Vertrieb richtig auf die potenziellen Kunden ausgerichtet sind.
Schwieriger noch sind die selteneren Fälle, in denen das Produkt sich erst den Markt schaffen muss, weil es Kundenbedürfnisse befriedigt, die bisher noch nicht „entdeckt“ wurden. Man denke an das iPhone, Facebook oder Uber. Hier kommt es auch darauf an, ob die Zeit für dieses Produkt reif ist.
Weiter sollte das Geschäftsmodell skalierbar sein, also die Produktion sehr schnell steigerungsfähig sein, weil infolgedessen das Unternehmen im Wert rasch ansteigen kann, was die Exitchancen erhöht.
Investoren schauen also in die Zukunft. Glaubt der Angel, dass sich das Start-up gut entwickeln wird, sind die Voraussetzungen für eine Finanzierung gegeben.
Filter 3: Team, Team, Team – Vertrauen aufbauen
Befragt man Business Angels, was das wichtigste Investitionskriterium ist, dann hört man immer wieder: Team, Team, Team. Mit gutem Grund: denn ohne ein gut aufgestelltes Team geht nichts. Gründer sollten also darauf achten, dass die notwendigen Kompetenzen – technologische, organisatorische, vertriebliche – überzeugend besetzt sind. Einzelkämpfer haben geringe Chancen, auch die Konstellation, bei der der kompetentere Vater dem Sohn, der als CEO, fungiert, das Sprungbrett bereiten will, funktioniert oft nicht. Diversen Teams geht der Ruf voraus, kreativer und erfolgreicher zu sein als homogenen. Gleichzeitig muss eine gute Vertrauensbasis zwischen den Gründern vorhanden sein – denn wenn das Gründerteam auseinanderbricht, bedeutet das oft auch das Ende des jungen Unternehmens.
Darüber hinaus wird von den Gründern ein charakterlicher Spagat erwartet: Einerseits sollen sie selbstbewusst, selbständig, hartnäckig, unbeirrt und leidenschaftlich ihre Geschäftsidee verfolgen, anderseits sollen sie nicht beratungsresistent sein und so flexibel, dass sie Sackgassen erkennen, um aus ihnen wieder herauszukommen. Mir sind viele Fälle bekannt, wo die erste Idee des Geschäftsmodelles nicht wie erhofft geflogen ist, die Gründer aber gemeinsam mit ihrem Business Angels umgesteuert, das Geschäftsmodell variiert haben und damit Erfolg hatten.
Bleiben wir bei den weichen Faktoren. Die Zusammenarbeit zwischen Start-ups und Business Angels ist auf mehrere Jahre angelegt. Es wird mit Sicherheit Höhen und Tiefen und auch echte Krisen in der Entwicklung des Unternehmens geben. Das führt nur zu einem guten Ende, wenn eine solide Vertrauensbasis zwischen beiden Seiten besteht. Von vornherein müssen die Gründer sich daher ehrlich, offen und transparent verhalten. Das lässt dann hoffen, dass sie auftretende Probleme nicht verschweigen werden, sondern nach einer Problemanalyse zielgerecht eine Lösung suchen werden.
Filter 4: Das Fine Tuning – Technologie und Due diligence
Die Frage nach der Technologie selbst, die die Gründer sehr häufig in den Vordergrund stellen und worauf sie sich bei Pitches gerne hauptsächlich konzentrieren, weil sie darauf stolz sind, war bisher für den Angel nicht vorrangig. Erst jetzt, wenn er das Geschäftsmodell und seine Skalierungsfähigkeit analysiert und das Team kennengelernt hat, wird er sich auch mit der Technologie näher auseinandersetzen und sich davon überzeugen, dass sie die in sie gesetzten Hoffnungen erfüllt bzw. erfüllen kann. Die Technologie muss, soweit rechtlich möglich, geschützt sein. Patente dürfen aber nicht beim Gründer oder einer Hochschule liegen, sondern müssen ins Unternehmen eingebracht sein oder zumindest dauerhaft vom Unternehmen genutzt werden können.
Damit sind wir bei der Due Diligence, was so viel bedeutet, dass sich der Investor ansieht, „ob im Unternehmen alles seine Ordnung hat“. Das bezieht sich auf betriebs- und finanzwirtschaftliche Aspekte, auf den Gesellschaftsvertrag, die Geschäftsführerverträge, das Personal im Hinblick auf Expertise und Kosten, wesentliche Verträge mit Kunden und Lieferanten sowie Risiken, z.B. durch Rechtsstreitigkeiten. So nachvollziehbar es ist, dass Gründer weder Zeit noch Lust haben, sich um formelle Dinge zu kümmern – wer die Unterlagen alle geordnet parat hat, punktet bei den Angels. „Vergessen“ hingegen die Gründer z.B. ein Gesellschafterdarlehen zu erwähnen, das zurückgezahlt werden muss, beendet das in der Regel die Gespräche mit dem Investor. Gerade in dieser Phase ist absolute Offenheit und Transparenz das Gebot.
Filter 5: „Bewertung des Unternehmens“ heißt aufeinander zugehen
All diese Aspekte gehen letztlich auch in die Bewertung des Unternehmens durch den Business Angel ein. Eine wesentliche Rolle spielt der Reifegrad des Unternehmens. Gibt es einen Prototyp, erste Kunden und Kundenreferenzen, Produktionskapazitäten usw.? Letztlich sind es aber die Zukunftsaussichten, die die Bewertung bestimmen. Deswegen sind alle am Markt vorhandenen Tools allenfalls Hilfsmittel, ausschlaggebend sind Erfahrung und Ahnung des Angels. Umgekehrt sollte aufseiten des Start-ups auch in Betracht gezogen werden, inwieweit der Angel durch sein Know-how und sein Netzwerk für das Start-up von Nutzen sein wird. Oft schon war der „Know-how-Flügel“ des Angels für den Erfolg des Start-ups wichtiger als der andere Flügel, das Kapital.
Bei beiderseitig gutem Willen und Vertrauen darf das Investment an der Bewertung nicht mehr scheitern.
Term Sheet – Wie wollen wir zusammenarbeiten?
Abschließend ist es sinnvoll, die wesentlichen Aspekte der Zusammenarbeit, welche auch im Beteiligungsvertrag und dem meist zu ändernden Gesellschaftsvertrag (Satzung) eine Rolle spielen, schriftlich im Term Sheet niederzulegen. Eine gute Hilfe ist das Muster Term Sheet des German Standards Setting Institutes (GESSI), das kostenlos zweispaltig in Deutsch und Englisch zum Download bereitsteht. Weil GESSI gemeinsam von BAND als dem Bundesverband der Business Angels und ihres Ökosystems und dem Bundesverband Deutscher Startups betrieben wird, können Gründer und Investoren auf die Ausgewogenheit der Dokumente vertrauen. Ein Term Sheet ist rechtlich betrachtet kein Vertrag und auch nicht rechtsverbindlich, aber nach den Grundsätzen des ehrbaren Kaufmanns einzuhalten. Wer als Start-up oder Investor Term-Sheets willkürlich nicht beachtet und die spätere Beteiligung verweigert, wird Probleme mit seinem Ruf in der Community haben.
Fazit
Der Prozess bis zum Eingehen der Beteiligung scheint aufwändig, aber er ist eine gute Grundlage für eine längere Zusammenarbeit. Es gibt zwar auch die Investoren mit dem schnellen Geld. Ob sich dieser Weg für die Start-ups am Ende auszahlt, ist aber zu bezweifeln, denn in solchen Fällen sind Enttäuschungen oft vorprogrammiert.
Erstveröffentlichung des Artikels auf startupcoach.de