In unserer Reihe der BANDlisting Angels Porträts sprechen wir heute mit Arne Paul Oltmann, Business Angel und Geschäftsführer der seedfeed GmbH, die sich an Gründungsvorhaben beteiligt.
Herr Oltmann, Sie haben bereits früh in Ihrer Laufbahn angefangen, andere Unternehmen zu beraten. Was weckte Ihr Interesse für diese Tätigkeit?
Ich bin damals in die Unternehmensberatung gegangen, weil mir das die Möglichkeit gab, innerhalb kurzer Zeit Einblicke in viele verschiedene Unternehmen zu bekommen und so Einblicke in unterschiedliche Branchen und Unternehmensstrukturen zu erhalten. Das waren wertvolle Erfahrungen, von denen ich heute noch zehren kann.
Ich war damals in einer Beratungsgesellschaft tätig, die sich auf die Restrukturierung mittelständischer Unternehmen spezialisiert hat. Wir hatten es also immer mit Krisensituationen zu tun. Eine für mich sehr interessante und lehrreiche Erfahrung dabei war, dass trotz der unterschiedlichsten Rahmenbedingungen, Branchen, etc. die Probleme, die zu den Krisen geführt haben, dann doch auf sehr wenige wiederkehrende Muster und Managementfehler zurückzuführen waren.
Nach einigen Jahren in der Beratung bin ich dann aber lieber auf die andere Seite gewechselt und habe die Geschäftsführung eines Industriebetriebs übernommen, um selber in die Verantwortung zu gehen und eben nicht nur beratend zur Seite zu stehen. Gleichwohl berate ich heute noch gerne. Und das ganz besonders im Gründungskontext, weil man es hier meistens mit hochmotivierten und enthusiastischen Menschen zu tun hat.
Seit wann sind Sie speziell als Business Angel aktiv und wie sind Sie dazu gekommen, in Start-ups zu investieren?
Ich habe mich schon vor Jahren sporadisch – und eher dem Zufall geschuldet- als in geschäftlichen und kaufmännischen Dingen geschulter Industriemanager an Gründungsvorhaben von Freunden beteiligt und stand diesen dann natürlich auch mit Rat und Tat zur Seite. Dass ich damit im Grunde die typische Funktion eines Business Angels inne hatte, habe ich mir seinerzeit aber nicht bewusst gemacht.
Ich habe dann in der Folgezeit immer mal wieder Anfragen aus dem Freundes- und Bekanntenkreis bekommen, bei Gründungsvorhaben beratend zu unterstützen. Ich habe meistens mit großer Freude zugesagt, da mir die Begleitung von Gründungen einfach viel Spaß macht. Irgendwann vor etwa zwei Jahren habe ich dann den Entschluss gefasst, die Tätigkeit als Business Angel systematisch zu betreiben und auch aktiv auf die Suche nach interessanten Start-ups und Gründungsvorhaben zu gehen.
Im letzten Jahr habe ich dann zu diesem Zweck die seedfeed GmbH gegründet.
Sie sind sehr engagiert in der deutschen Start-up Szene, welche Stärken und Schwächen sehen Sie da?
Als grundoptimistischer Mensch sehe ich zunächst mal vor allem die Stärken der deutschen Start-up Szene. Deutschland ist ein starkes Industrie- und Hochtechnologieland, das durch seine föderale Struktur viele Regionen mit ganz eigenen wirtschaftlichen Stärken und Besonderheiten hat. Und so divers und dezentral ist auch die Gründerszene. Eine Start-up-Szene im eigentlichen Sinne findet sich naturgemäß vor allem in den großen Ballungszentren. Vorne weg kommt sicherlich Berlin, Deutschlands – wenn nicht gar Europas- Gründerhauptstadt mit den größten Deals und einem deutlichen Schwerpunkt auf digitalen Geschäftsmodellen. Aber es gibt zweifelsohne auch andere Hotspots, die sehr interessant sind. Ich persönlich bin naturgemäß ein großer Fan der Metropolregion Rhein-Ruhr, die als größtes Ballungszentrum in Deutschland ein gewaltiges Potential besitzt.
Es gibt hier unzählige private Initiativen und Fördereinrichtungen. Mir fallen spontan allein sieben relevante Businessplan-Wettbewerbe ein, die Gründern eine prima Plattform bieten: teils breit aufgestellt, wie der Dortmunder start2grow, teils deutlicher regional fokussiert, wie beim Bochumer Senkrechtstarter, oder inhaltlich fokussiert wie beim Businessplanwettbewerb Medizinwirtschaft. Das spiegelt sich einer großen inhaltlichen Bandbreite bei den Gründungsvorhaben wider.
Diese Dezentralität ist aber gleichzeitig aber auch die Schwäche der Gründerszene außerhalb von Berlin. So ist insbesondere die Gründerszene Rhein-Ruhr aus meiner Sicht auch ein bisschen wie ein schlafender Riese. Wenn die Akteure der hiesigen Gründerszene ihre Aktivitäten in diesem Bereich punktuell mehr bündeln und es schaffen, auch die etablierte Wirtschaft und die überregionale Politik stärker für Gründungsthemen zu gewinnen, geht hier noch einiges mehr.
Auf welche Weise lernen Sie Start-ups kennen? Welche Kanäle nutzen Sie auf der Suche nach Investitionsmöglichkeiten?
Ich bin relativ aktiv als Mentor und Coach tätig, vor allem bei verschiedenen Gründungs- und Businessplanwettbewerben. Das ist für mich als Early-Seed-Investor sehr interessant, da man dort bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt in der Gründungsphase sehr intensiv in Kontakt mit den Gründerteams kommt. Gleichzeitig beansprucht ein solches Engagement natürlich auch viel Zeit und Energie. Aber ich finde, das lohnt sich in jedem Fall, zumal die Arbeit mit den Gründern in diesem Rahmen meistens sehr viel Spaß macht.
Darüber hinaus bin ich Mitglied in mehreren Business Angels Netzwerken. Auch über diesen Weg komme ich mit sehr vielen Start-ups in Kontakt. Zudem sind diese Netzwerke wertvolle Plattformen zum Austausch zwischen Business Angels untereinander.
Und schließlich ist es so, dass irgendwie auch immer eins zum anderen kommt, wenn man das mit etwas Gewissenhaftigkeit betreibt. So bin ich heute in der glücklichen Lage, dass nicht nur ich bei meiner Suche das ein oder andere vielversprechende Gründungsvorhaben finde, sondern umgekehrt zunehmend auch Gründerteams bei ihrer Suche nach Unterstützung auf mich stoßen.
Was sind die häufigsten Schwierigkeiten, bei denen Sie in der Pre-Seed-Phase eines Unternehmens eingreifen müssen?
Stolpersteine gibt es in der Gründungsphase eine ganze Menge. Es fehlt in der Regel an allem: Substanz, Strukturen, Kunden, Geld, etc. Das einzige was vorhanden ist, sind die Ideen und der Enthusiasmus der Gründer. In einer solchen Phase gibt es immer zahlreiche Schwierigkeiten. Und es werden natürlich auch viele Fehler gemacht, was aber völlig OK ist und ja auch Teil eines spannenden Lernprozesses.
Was meiner Meinung nach aber zwei ganz wesentliche Punkte sind, die sich maßgeblich auf den späteren Erfolg eines Gründungsvorhabens auswirken, sind zum einen die Übersetzung einer Idee in ein marktgängiges Geschäftsmodell und zum anderen erfolgreiches Teambuilding in der Startphase.
Es gibt viele gute Start-up-Projekte, die mit Ihrer Idee ein potentielles Kunden- bzw. Nutzerproblem zwar richtig identifizieren, aber keine marktgerechte Lösung für das Problem liefern und/oder es nicht schaffen, damit ausreichende Erlöse zu generieren – mit anderen Worten: ein erfolgreiches Geschäftsmodell daraus abzuleiten.
Der andere kritische Punkt ist das Teambuilding im Gründungsprozess. Oft zeigt sich erst im operativen Tun, wie gut die einzelnen Mitglieder wirklich kooperieren und sich ergänzen. Und es zeigt sich, ob sie über ausreichend Mut und Durchhaltevermögen verfügen.
Als Geschäftsführer von seedfeed werden Sie bestimmt mit einer Menge Geschäftsideen konfrontiert. Wie schätzen Sie den Innovationsreichtum in Deutschland ein?
Es gibt in Deutschland viele gute Ideen und Einfälle, um Probleme von Menschen zu lösen und bestehende Lösungen zu verbessern. Von daher würde ich grundsätzlich von einem großen Ideenreichtum in Deutschland sprechen.
Gleichwohl ist es ein langer Weg von guten Ideen zu erfolgreichen Innovationen, also der Realisierung von Ideen in Form von neuen Produkten und Dienstleistungen, die einen Weg in den Markt finden. Und das hängt natürlich von vielen Faktoren und Rahmenbedingungen ab, z. B. der Gründerneigung in der Bevölkerung, funktionierenden Schnittstellen zwischen Wissenschaft, Entrepreneuren und Kapital sowie der politischen Unterstützung von Entrepreneurship.
Und auch, wenn in Deutschland in diesem Feld schon eine ganze Menge passiert, gibt es immer noch ordentlich Luft nach oben. Das gilt aus meiner Sicht vor allem für die Schaffung stärkerer Anreize zur Verbesserung die Gründerneigung und die Senkung bürokratischer Hürden für Gründungsvorhaben.
Beschränken Sie sich bei der Suche nach Start-ups auf den deutschen Markt?
Nun, grundsätzlich schon. Und das macht als Business Angel auch Sinn. Denn das Selbstverständnis der meisten Business Angels -und so auch meins- ist es, den Gründungsvorhaben nicht nur Kapital, sondern auch aktive Unterstützung und Beratung angedeihen zu lassen. Und das geht natürlich nur, wenn man in engem Kontakt steht und auch vor Ort sein kann. So habe ich persönlich sogar einen zusätzlichen geographischen Schwerpunkt auf die Region Rhein-Ruhr, weil ich hier jeden Ort innerhalb von einer Stunde gut erreichen kann.
Aber für alles gibt es Ausnahmen. So ist es tatsächlich so, dass ich gerade in ein vielversprechendes Team aus Italien investiert habe. Und ich bin derzeit in engem Kontakt mit zwei Start-ups in Polen. Man weiß also nie, wohin einen der Zufall führt. In den genannten Fällen ist es aber so, dass die Teams jeweils so komplementär und stark besetzt sind, dass ich mich hier nicht in einer so aktiven Rolle sehe und mich eher auf einen gelegentlichen Austausch beschränken kann.
Zum Abschluss: Was macht Ihrer Meinung nach vielversprechende Start-ups aus und welche Kriterien muss ein gutes Gründerteam erfüllen?
Die Frage deutet schon den wichtigsten Teil der Antwort an: Ein Start-up ist zumeist dann vielversprechend, wenn das Gründerteam stark ist. Und ein Team ist meines Erachtens dann stark, wenn die Gründer flexibel genug sind, sich schnell auf Veränderungen einzustellen und laufend bereit sind, ihre Prämissen und Pläne zu adaptieren und anzupassen. Und das Team sollte ein gutes Durchhaltevermögen haben und auch in schwierigen Situationen gut miteinander harmonieren. Das gilt natürlich gleichermaßen für Solopreneure, also Einzelgründer, wobei dann die gesamte Verantwortung auf zwei Schultern lastet, was schnell überfordern kann.
Nichtsdestotrotz: Investitionsreife bekommt ein Gründungsvorhaben nicht allein durch gute Gründerpersönlichkeiten, sondern nur dann, wenn auch eine ausbaufähige Idee vorhanden ist.
Und schließlich ist auch eine ausreichende Skalierbarkeit, beziehungsweise ein ausreichend großes potentielles Geschäftsvolumen ein wichtiger Punkt. Zumindest, wenn das Start-up auch für Investoren vielversprechend sein soll. Dann muss die Rendite stimmen, denn schließlich handelt es sich bei Beteiligungen in Start-ups im Grunde ausnahmslos um Hochrisiko-Investments.
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