16. März 2016

European Start-up Monitor: Sind deutsche Start-ups die bestfinanzierten in Europa?


„Wow!“ kann man nur sagen, ein ganz großer Wurf, die neue Studie des „European Start-up-Monitors“ (http://europeanstartupmonitor.com/esm/esm-2015/). Es gibt eigentlich keine Frage zu Start-ups, die man gerne beantwortet haben möchte, für die der Monitor die Antwort offenlässt; und das für zwölf Staaten der europäischen Union plus Israel. Zweifellos bedeutete dieser Monitor eine große Anstrengung und den Initiatoren gebührt Respekt.

Gegliedert ist der Monitor in sechs Kapitel: Basisdaten europäischer Start-ups, Gründer und Team, Branchen, Kunden und Märkte, Mitarbeiter, Finanzierung sowie wirtschaftliche Situation, Herausforderungen und Erwartungen.

Für Angel Investoren besonders interessant ist das Kapitel 5, die Finanzierungssituation. Über alle Staaten hinweg finanzieren sich danach 69,1 % der Start-ups aus eigenen Mitteln, gefolgt von Family and Friends mit 25,1 % sowie nahezu gleichauf aus öffentlichen Mitteln mit 21,9 % und durch Business Angels Kapital mit 21,3 %. Venture Capital folgt erst weit abgeschlagen mit 12,6 % nach interner Finanzierung und Akzeleratoren (S. 49). Besonders Deutschland kommt bei der Finanzierung sehr gut weg. Deutsche Gründer haben bei der Finanzierung aus eigenen Ersparnissen, aus Mitteln von Family und Friends, von Business Angels, von Venture Capital und der internen Finanzierung die Nase vorn, also bei fünf von neun Kategorien und bei zwei weiteren, öffentlicher Finanzierung und Bankkrediten erringen sie die Silber- und Bronzemedaille. Nur bei der Inkubatorenfinanzierung und beim Crowdfunding stehen sie nicht auf dem Treppchen (S. 50).

Spätestens hier allerdings rühren sich auch Zweifel. So taucht das hochgelobte Israel nirgends unter den ersten drei Ländern auf (die weitere Reihenfolge verschweigt die Studie). Großbritannien, immer als Vorbild bei der Start-up Finanzierung angesehen, zeigt sich unter den ersten Drei nur auf zwei zweiten Plätzen – bei Business Angels hinter Deutschland und beim Crowdfunding hinter Rumänien!

Gerne hätte man das und vieles andere genauer gewusst. Und hier zeigt sich das große Problem dieser Studie. In Aufmachung (z.B. eigene Website) und Inhalt steht die Öffentlichkeitswirkung im Vordergrund, nicht die wissenschaftliche begründete Darstellung.

So erfährt man leider nur wenig, fast nichts, über entscheidende Fragen der Datenerhebung. Das einzige ist, dass die Studie „mehr als 2.300 Start-ups mit mehr als 31.000 Beschäftigten in allen 28 europäischen Mitgliedsstaaten (13 in tiefer Analyse) und in weiteren wichtigen Ländern repräsentiere.“ Wurden 2.300 Start-ups befragt oder haben 2.300 Start-ups den Fragebogen beantwortet, wie wurden die Start-ups gefunden und ausgewählt, wie verteilen sich die Start-ups, die geantwortet haben, auf die einzelnen Staaten, wurden für die einzelnen Staaten Größenordnungen erreicht, die erwarten lassen, dass mehr als Zufallsergebnisse herauskommen? Nur wenn dies und noch mehr offengelegt worden wäre, wüsste man, inwieweit der Studie Glauben geschenkt werden kann oder nicht. Der akademische Anstrich, den sich die Studie gibt, wird jedenfalls nicht erfüllt.

Der Wirtschaftswoche Gründer Newsletter schreibt am 04.03.2016, der Studie mangele es an Repräsentativität (http://gruender.wiwo.de/european-start-up-monitor-gruender-wollen-im-schnitt-33-millionen-euro-einsammeln/).

Das ist wahr, so viel kann man aber wahrscheinlich auch gar nicht erwarten. Denn dann hätten die Autoren erst einmal von der Grundgesamtheit der Start-ups eine Stichprobe ziehen müssen und diese dann diese befragen müssen. Nein, es würde schon genügen, anhand der Offenlegung von Methode und erhobener Daten erkennen zu können, ob die Ergebnisse eine gewisse Wahrscheinlichkeit von Relevanz haben oder nicht.

Die Konsequenz aus dieser ernüchternden Analyse des European Start-up Monitors sollte allerdings nicht sein, ihn künftig nicht erneut aufzulegen. Denn die Themen, zu denen versucht worden ist, Daten zu ermitteln, sind wichtig für Politik und Öffentlichkeit. Daher sollte an einer Verbesserung und Verbreiterung der Datenbasis gearbeitet werden und die interessierte Öffentlichkeit sollte vor allem über Methodik und die exakten Ergebnisse der Datenerhebung (nicht nur über Prozentsätze) informiert werden. Und wenn die erhobenen Daten nicht ausreichen, um qualitativ überzeugende Ergebnisse zu produzieren? Dann muss auch dies offen gesagt werden. Manchmal ist weniger eben mehr.

Roland Kirchhof

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