Eckpunktepapier Wagniskapital meint es gut, Ergebnis wäre schlecht
Mit dem am 16. September beschlossenen Eckpunktepapier Wagniskapital wollte die Bundesregierung schnell die Business Angels Szene beruhigen, also diejenigen, die mit hohem Risiko und großem persönlichen Einsatz Start-ups in der ganz frühen Phase finanzieren. Sie zog darin Pläne des Bundesfinanzministers weitgehend zurück, künftig Veräußerungsgewinne von Business Angels, die in der Rechtsform einer GmbH investieren, mit erheblichen Steuern zu belasten.
Gleichzeitig kündigt das Papier einen „massiven Ausbau“ des INVEST- Zuschussprogramms für 2016 an. „Das liest sich auf den ersten Blick als Durchbruch zu neuen Ufern, bei näherem Hinsehen zeigen sich aber katastrophale Folgen für die Frühphasenfinanzierung von Start–ups durch Business Angels“, sagt Roland Kirchhof, Vorstand von Business Angels Netzwerk Deutschland (BAND). Denn nun sollen Investitionen von Privaten in VC Fonds erheblich stärker gefördert werden als Direktfinanzierung der Start-ups durch die Angels. Die Folge werde sein, dass die Investitionen von vielen Angels jetzt nicht mehr den Start-ups zu Gute kämen, sondern den Fonds, zumal dies mit einem geringeren Risiko verbunden sei. Damit würde der Finanzierungsmarkt der Frühphase austrocknen und auch für spätere VC Investments stünden weniger geeignete Start-ups zur Verfügung. Der ohnehin in Deutschland verbesserungsfähige Start-up Nachschub geriete vollends in Stocken.
Dabei hat der Verband der Business Angels eigentlich nichts gegen ein Aufpäppeln des schwächelnden VC Marktes. Aber gleichzeitig müsse dann der seit 2013 bestehende INVEST-Zuschuss für Angels, dessen Budget noch lange nicht ausgeschöpft sei, angepasst werden.
Im Einzelnen will das Eckpunktepapier ab 2016 einen Zuschuss von 20 % „auf Investitionen von Privatpersonen oder Kapitalgesellschaften in Wagniskapital von bis zu 500.000 € pro Jahr“ gewähren. Vorgesehen dafür sind auch eine Erstattung der Steuer auf Veräußerungsgewinne und ein Förderzuschuss für den Ausgleich von Verlusten.
Private Investoren, die Start-ups direkt mittels einer offenen Beteiligung finanzieren, erhalten dagegen bisher den Zuschuss von 20 % nur bis maximal 250.000 € pro Jahr und ein Ausgleich von Verlusten oder die Erstattung von Steuern auf Veräußerungsgewinne sind nicht vorgesehen.
Investitionen in VC wären damit fünffach gegenüber direkten Angel Investitionen bevorzugt:
• durch den doppelt so hohen geförderten Investitionsbetrag (500.000 € statt 250.000 €)
• durch die Zulassung aller Kapitalgesellschaften als Investoren (statt der engen Grenze der maximal Vierpersonen GmbH bei Angels)
• durch die Erstattung der Steuer auf Veräußerungsgewinne
• durch den Förderzuschuss für den Ausgleich von Verlusten
• durch die anders als bei INVEST für Angels fehlende Voraussetzung, in innovative Unternehmen investieren zu müssen, wozu z.B. E-Commerce nicht zählt.
Nach Meinung von Roland Kirchhof ginge auch der unschätzbare Vorteil der Angel Finanzierung für die Start-ups selbst, nämlich die Hands-on Begleitung mit Know-how und Netzwerkkontakten, der zweite Angel Flügel also, damit weitgehend verloren. Klar müsse sein: Nur wenn möglichst viele Gründer an den Start gehen, werden sich die wirklich Besten später durchsetzen. Deswegen bedürfe es in der Seed-Phase einer breiten Erstfinanzierung, um zu sehen, wo die besten Potentiale liegen. Das bedeute gleichzeitig extrem hohes Risiko für diejenigen, die dafür ihr eigenes Geld einsetzen und das seien in erster Linie Business Angels.
Hier zeige sich deutlich, dass alle Glieder in der Finanzierungskette geschmiert sein müssen, damit eine reichhaltige Start-up Landschaft entstehen kann.
BAND fordert daher, Angel Direktfinanzierungen nicht schlechter, sondern – wegen des hohen persönlichen Einsatzes der Angels – etwas besser zu stellen als VC Finanzierungen. So wäre z.B. die Möglichkeit, einen Ausgleich für Verluste zu erhalten, gerade für „Anfänger“ als Investoren von erheblicher Bedeutung, weil erfahrungsgemäß die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns von Start-ups in den ersten drei Jahren besonders hoch ist, während erfolgreiche Exits regelmäßig erst nach sieben bis 12 Jahren stattfinden. Würden Verluste abgefedert, wäre es für diese Angels leichter, das „Tal der Tränen“ zu überstehen und weiter zu investieren.
Es wird nach Meinung von BAND auch Zeit, den privaten Angel bei der Steuer auf Veräußerungsgewinne genauso wie den GmbH Angel freizustellen, was bei der Anwendung der im Eckpunktepapier genannten zusätzlichen Förderaspekte auch auf Angels annähernd der Fall wäre. Denn es gehe auch darum, neue Angels aus dem großen vorhandenen Potential zu gewinnen. Diese werden beim ersten Investment oft nicht sofort eine Beteiligungsgesellschaft gründen wollen, sondern einfach als Privatperson investieren.
Bei der geplanten Überarbeitung der INVEST-Zuschuss Richtlinien sollen auch weitere berechtigte Wünsche aus der Angel Community in die Überlegungen einbezogen werden. Dass Folgeinvestments zurzeit von INVEST ausgeschlossen sind (was EU beihilferechtlich nicht gefordert wird) sei sehr nachteilig, gerade weil gegenwärtig von vielen ein Problem bei der Weiterfinanzierung anfinanzierter Start-ups gesehen wird. Gleiches gelte für die meisten Formen des gemeinsamen Investierens durch mehrere Angels (Pooling z.B. n Form einer anderen GmbH als der zugelassenen Vierpersonen GmbH, einer GbR oder einer Treuhand). Dadurch könne die Angel Finanzierung enorm gehebelt und das Risiko besser verteilt werden und die Start-up Unternehmer hätten es dennoch nicht mit einer Vielzahl von Gesellschaftern zu tun, was die Komplexität erhöhe und deswegen unerwünscht sei. Auch die Nutzung von Wandeldarlehen sollte möglich gemacht werden, weil durch sie die Bewertung des Start-ups in einem sehr frühen Stadium vermieden werden kann.
Es sei nötig, ein wirklich kohärentes System der Wagniskapitalförderung zu schaffen. Das Menetekel des Austrocknens des Angel Marktes dürfe nicht wahr werden. Großbritannien z.B. mache uns mit seinen Programmen unverdrossen vor, wie es funktionieren könne.
Kontakt:
Matthias Wischnewsky
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