Essen, 09.September 2014
I. Crowdfunding im Konzert der Finanzierungsformen von Start-ups
Uns sind bereits eine Reihe von Stellungnahmen zum Kleinanlegerschutzgesetz im Zusammenhang mit Crowdfunding bekannt geworden, die mit im Wesentlichen ähnlichen Begründungen zu den kritischen Punkten des Kleinanlegerschutzgesetzes Position beziehen. BAND verfolgt mit dieser Stellungnahme nicht die Absicht, diese durchweg zutreffenden Begründungen noch einmal zu wiederholen. Es ist vielmehr Ziel dieser Stellungnahme, die Folgen der vorgesehenen Regelungen des Kleinanlegerschutzgesetzes im Hinblick auf die Position des Crowdfundings in der gesamten Wertschöpfungskette der Finanzierung von Start-ups zu verdeutlichen.
Crowdfunding ist in seiner jetzigen Form steht meist ganz am Anfang der Finanzierung von jungen Unternehmen. Zum Teil reicht der dadurch erlangte Finanzierungsbetrag aus, um im weiteren Unternehmensverlauf den Finanzierungsbedarf nun durch klassisches Fremdkapital (Bankkredite) decken zu können. Zum Teil jedoch ist es erforderlich, Eigenkapital-Finanzierungen entweder parallel oder anschließend einzuwerben. Die sind in der Seed- und Start-up Phase im Wesentlichen Business Angels Finanzierungen und Venture-Capital-Fonds, die sich auf diese Unternehmensphase spezialisiert haben. Nach einer im April 2014 vorgelegten Studie des ZEW (http://www.zew.de/de/publikationen/7417, S. 26) investieren Business Angels pro Jahr etwa 650 Millionen, während die VC Industrie ca. 590 Millionen pro Jahr an Eigenkapital zur Verfügung stellt. In der anschließenden so genannten Wachstumsphase kommen dann andere Venture-Capital-Fonds sowie weitere Formen der Eigenkapital bzw. Eigenkapital ähnlichen Finanzierung in Betracht.
In diesem Zusammenspiel der verschiedenen Investitionsformen sind sicherlich noch nicht alle Möglichkeiten ausgelotet. Eine Regulierung sollte die Entwicklung von Crowdinvesting zu einem vollwertigen Mitglied der „Investorengemeinschaft“ nicht verhindern, sondern Entwicklungen ermöglichen, die heute zum Teil noch nicht genau vorausgesehen werden können. Dabei sollte aber immer im Auge behalten werden, dass es darum geht, private Mittel, natürlich unter Beachtung des Anlegerschutzes, in die für die Zukunft unserer Volkswirtschaft so wichtigen Unternehmensgründungen zu lenken. Deutschland hat hier gegenüber anderen Ländern einen enormen Nachholbedarf. Dieser Abstand sollte nicht vergrößert, sondern verringert werden.
II. Zum Crowdfunding-Privileg des Kleinanlegerschutzgesetzes
1. Begrenzung von Investitionssumme und Einschränkung der Finanzierungsinstrumente
Jedes Unternehmen, das sich für die Finanzierung durch Crowdinvesting entscheidet, muss im Hinblick auf die zu erzielende Finanzierungssumme und die Auswahl des Finanzierungsinstrumentes eine grundlegende Entscheidung treffen: Will ich mit der Finanzierung durch Crowdfunding erreichen, dass das Start-up allein durch Crowdfunding ausfinanziert ist und weitere Investoren nicht mehr erforderlich werden, oder gehe ich davon aus, dass Crowdfunding ein erster Anteil innerhalb der Finanzierungskette sein soll und weitere Investoren später hinzutreten sollen?
Entscheidet sich das Unternehmen für die Ausfinanzierung über Crowdfunding, dann muss es ausreichend Kapital einschließlich eines notwendigen Puffers einwerben, der dies sicherstellt. Oft handelt es sich dabei um konsumnahe Geschäftsmodelle. Die Investoren sind gleichzeitig die ersten Kunden und Werbeträger und das Geschäftsmodell ist so ausgestaltet, dass es sich von vornherein relativ gut kalkulieren lässt. Eine Grenze von einer Millionen Euro wäre in diesem Fall sehr willkürlich und würde in einer Reihe von Fällen die Möglichkeit verhindern, durch Crowdfunding bereits die volle Finanzierung zu erhalten. Auch die Finanzierungsinstrumente müssen auf diesen Fall zugeschnitten werden. Wenn das Unternehmen plant, sich mit Hilfe des Crowdinvestings auszufinanzieren, sind zweckmäßig stille Beteiligungen oder ähnliche Finanzierungsinstrumente vorzusehen. Denn die stille Beteiligung gibt dem Anleger die meisten Rechte. Er ist am ehesten „Miteigentümer“. Deswegen ist es in diesem Fall ein Anreiz für die Anleger, wenn es sich bei dem Finanzierungsinstrument um stille Beteiligungen handelt.
Ganz anders ist die Sachlage, wenn das Unternehmen davon ausgehen muss, nach dem Crowdinvesting oder zum Teil parallel dazu weitere Investoren gewinnen zu müssen bzw. zu wollen. Hierfür kommen Business Angels und Venture Capital Gesellschaften in Betracht. Diese möchten, wenn sie investieren, es keineswegs mit einer „Crowd“ von Mitinvestoren und sei es nur in der Form der stillen Beteiligung zu tun haben. Denn dies macht das eigene Investment für sie unübersichtlich und komplex und damit uninteressant. Sie werden deswegen nur investieren, wenn die Kleinanleger über ein Finanzierungsinstrument gewonnen wurden, das sehr darlehensnah ist. In diesem Fall sind also partiarische Darlehen oder Nachrangdarlehen interessengerechter im Sinne des Unternehmens und der Investoren.
Ergebnis:
Um den unterschiedlichen Finanzierungszielen und den unterschiedlichen Unternehmens- und Investoreninteressen gerecht werden zu können, ist eine praxis- und bedarfsgerechte Ausgestaltung des Crowdfunding-Privilegs erforderlich. Weder die im Entwurf des Kleinanlegerschutzgesetzes angelegte Begrenzung der Gesamthöhe des Investments auf eine Millionen Euro noch die Beschränkung der Investitionsinstrumente auf partiarische Darlehen und Nachrangdarlehen wird Bedürfnissen der Praxis gerecht.
2. Begrenzung der Beteiligungshöhe für Anleger auf maximal EUR 10.000
Business Angels sind Investoren mit zwei Flügeln: Bei dem einen Flügel handelt es sich um das eingesetzte Kapital, mit dem anderen Flügel bringen sie ihr Know-how und ihr Netzwerk ein. Deswegen sind Business Angel Investments prinzipiell anderer Natur als Crowdfunding-Investments, wo der Investor normalerweise ein spezielles Know-how nicht einbringen kann und allenfalls als Konsument oder Werbeträger für das Produkt des Unternehmens agieren kann, in das er investiert hat.
Dennoch können sich beide Investitionsformen ergänzen und sogar befruchten. So gibt es gute Beispiele, dass Business Angels zunächst als „Crowd“ investiert haben. Dies ergab die Gelegenheit, mit zunächst kleinerem Risiko zu sehen, wie der Markt auf das Produkt reagiert, wobei die Akzeptanz der Crowd auch ein Merkmal für die Aufnahme des Produkts im Markt sein kann. In der anschließenden Finanzierungsrunde wird der Business Angel dann mit einem weitaus höheren Betrag finanzieren. Sein Risiko hat sich dann für ihn bereits in gewissem Umfang minimiert, denn die ersten Indikatoren für einen möglichen Geschäftserfolg sind sichtbar. Es kann also für Business Angels durchaus Sinn machen, (zunächst) als Crowd zu investieren. Allerdings wird die Höchstgrenze von € 10.000 für sie dann häufig zu gering liegen. Das größere Investment eines Business Angels innerhalb der Crowd liegt häufig auch im Interesse der anderen Investoren. Wenn ein Business Angel mit seiner unternehmerischen und Investitionserfahrung als Ankerinvestor mit einer größeren Summe als es den Kleinanlegern möglich ist, finanziert, ist dies eine gute Orientierung für die weniger erfahrenen Kleinanleger.
Ergebnis:
Die Höchstsumme von € 10.000 entspricht nicht den Bedürfnissen des Marktes und der Investoren. Wir schließen uns insofern den Vorschlägen an, die entweder für eine deutliche Anhebung plädieren oder für eine Staffelung der Höchstsumme je nach Vermögenslage des Privatinvestors. Kapitalgesellschaften sollten angesichts ihrer Kaufmannseigenschaften von einer Höchstregelung generell ausgenommen sein. In diesem Falle würde ein Höchstgrenze für viele Business Angels nicht gelten, da sie oft mittels einer GmbH investieren.
III. Widerspruch zur digitalen Agenda
Mit der von der Bundesregierung verabschiedeten „Digitalen Agenda“ will die Bundesregierung die Bundesrepublik Deutschland für die digitale Zukunft öffnen und bereit machen. Die bereits genannten einschränkenden Regelungen stehen damit im Widerspruch. Auf Seite 14 der Agenda wird gefordert, die „Junge Digitale Wirtschaft“ zu unterstützen. Die genannten Regelungen führen jedoch dazu, dass Crowdfunding und Crowdinvesting als wesentliche neue Formen der Finanzierung von Start-ups in ihrem Wirkungskreis eingeschränkt und behindert werden und gegenüber anderen Staaten in Europa und der Welt ins Hintertreffen geraten. Angesichts der Internationalisierung der digitalen Wirtschaft ist zu erwarten, dass Crowdfunding Plattformen aus anderen europäischen Ländern den deutschen Markt erobern werden, obwohl dieser zurzeit zu den meist entwickelnden Crowdfunding-Märkten in Europa gehört.
Symptomatisch dafür, dass der Gesetzentwurf die neue digitale Welt noch nicht in vollem Umfang aufgenommen hat, sind die Vorschriften über Ausdruck und Postversand des Vermögensanlageinformationsblattes (VIB) sowie über die einschränkenden Möglichkeiten zur Werbung. Müssten sich die Crowdfunding Plattformen an diese Regelungen halten, würden sie schlicht in der digitalen Werbewelt nicht wahrgenommen. Diese wird von den sozialen Netzwerken beherrscht; eine Werbung in ihnen wäre aber unzulässig, denn diese haben nicht den Schwerpunkt der „Berichterstattung“ (auch ob dieser Begriff erfüllt wäre, ist bereits zweifelhaft) in der Wirtschaft.
Ergebnis:
Wir bitten, beide Regelungen entsprechend zu überarbeiten.
Business Angels Netzwerk Deutschland e.V. (BAND) hat das Ziel, die Business Angels Kultur in Deutschland zu fördern und den informellen Beteiligungskapitalmarkt auszubauen. BAND wird getragen von Business Angels Netzwerken sowie öffentlichen und privaten Mitgliedern und Sponsoren. Business Angels sind private Investoren, die mit Kapital und Know-how zum Erfolg von jungen, wachstumsstarken Unternehmen beitragen. Den Vorstand von BAND bilden Dr. Ute Günther und Dr. Roland Kirchhof.
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