26. November 2015

Vorzüge multikultureller Gründungsstandorte


Dieser Artikel wurde von Kathi Stens verfasst, die das BANDteam bis Mitte November 2015 als Praktikantin tatkräftig unterstützte

Die Aussage, dass Immigranten einen positiven Einfluss auf das Gründungsgeschehen eines Wirtschaftsstandortes haben, ist schon seit langem weit verbreitet. Zuwanderer gelten allgemein als risikobereiter, da sie sich in einem neuen Land zunächst einmal behaupten müssen, und die Chancen vor das Risiko stellen. Zuzüglich bringen sie das Know-how aus Ihren Ländern mit. So wird durch größere kulturelle Vielfalt in einem Land in gleichem Maß die Ideenvielfalt erhöht.

Diese Thesen lassen sich durch eine genauere Betrachtung ausgewählter erfolgreicher Gründungsstandorte aus der ganzen Welt stützen, wie das vom RKW Kompetenzzentrum herausgegebene Buch „Abseits vom Silicon Valley – Beispiele erfolgreicher Gründungsstandorte“ von Thomas Funke und W. Axel Zehrfeld belegt (Details unten).

Ein wichtiges Beispiel für diesen Sachverhalt ist die Entwicklung von Berlin zu einem bedeutenden Tech-Start-up Hub seit der Wiedervereinigung 1990. Es entstand eine kreative Szene, die nicht nur Künstler, sondern auch junge Unternehmer anlockte. Trotz bescheidener finanzieller Mittel kamen Einwanderer aus der EU, Amerika und Kanada nach Berlin mit dem Wunsch, ein eigenes Unternehmen zum Erfolg zu bringen. So hat sich Berlin, auch wegen seines vielfältigen Pools an Talenten zu einem beliebten Anlaufpunkt für junge Unternehmer entwickelt.

Auch Boston ist ein wichtiger Entwicklungsstandort technologischer Ideen. Dies ist größtenteils durch die bekannten Elite Universitäten Harvard und MIT bedingt. Viele Ausländer kommen nach Boston um zu studieren und bleiben im Anschluss. Dementsprechend sind auch Start-up-Teams in Boston zu einem Großteil sehr multikulturell aufgestellt. Die Ergebnisse daraus sind international erfolgreiche Unternehmen wie Facebook und Tripadvisor.

Ein Beispiel dafür, dass ausländische Gründer gezielt angelockt werden, ist Chile. Um der seit 1998 sinkenden Faktorproduktivität entgegen zu wirken, wurde 2010, neben verschiedenen Reformen, das Programm Startup Chile gegründet. Auf diese Weise sollten in Chile die Erfolgsaussichten für Jungunternehmen erhöht werden. Zudem sollte das Programm das Land auch für ausländische Gründer attraktiv machen, um von deren internationalen Netzwerken und verschiedenen Kulturen in Sachen Innovation zu profitieren.

Ähnliche Ziele verfolgte die Politik in Singapur, um die Asienkriese im Jahre 1997 zu bewältigen. Neben anderen Visionen wurde eine diversifizierte Wirtschaft im Dienstleistungs- und Produktionsbereich angestrebt, damit internationale Unternehmen und Start-ups gemeinsam die Innovation im Land vorantreiben können. Mit Erfolg: In der Zeit nach der Asienkrise entstanden in Singapur viele Hightechfirmen, besonders gegen Ende der 1990er Jahre.

2012 veröffentlichte Startup Compass den Start-up-Ecosystem-Report, ein Ranking der erfolgreichsten unternehmerischen Ökosysteme weltweit. Platz zwei belegte Tel Aviv, Israel. Auch hier findet sich eine multikulturelle Gründerkultur, die von Kreativität und einer hohen Risikotoleranz geprägt ist. Um weitere ausländische Gründer ins Land zu holen, diskutiert die israelische Regierung die Einführung eines Startup-Visums.

Es zeigt sich: Die Regierungen vieler Gründungsstandorte haben das große Potenzial einer multikulturellen Gesellschaft erkannt und ergreifen Maßnahmen, diese zu fördern. Durch die Bandbreite unterschiedlichster Talente entsteht die Chance, dass diese sich gegenseitig ergänzen. Ein wesentlicher Vorteil liegt darin, dass man von den unterschiedlichen Herangehensweisen, die von verschiedenen Kulturen hervorgebracht werden, lernen kann. Diese Ideenvielfalt begünstigt Innovationen und beflügelt den Gründungsstandort.

Thomas Funke und W. Axel Zehrfeld (Hg.), Abseits von Silicon Valley. Beispiele erfolgreicher Gründungsstandorte. ISBN: 978-3-95601-050-7

 

Foto: © carlosgardel – fotolia.de