29. März 2016

Wandern Schweizer Start-ups und Business Angels künftig nach Deutschland aus?


Eine kuriose Steuerpraxis der Steuerbehörde des Kantons Zürich bringt dortige Business Angels und Start-ups in Rage. Da der Kanton Zürich angeblich plant, auch die anderen Kantone von seiner Steuerpraxis zu überzeugen, sieht Beat Schillig, gut vernetzter Züricher Investor, Präsident von IFJ Institut für Jungunternehmen und venturelab, dem führenden Schweizer Akzelerator, nur noch einen Ausweg, wenn sich nichts ändert: „Hallo, Berlin und London!“

Was ist passiert? Schillig verdeutlicht es am eigenen Beispiel, das allerdings nicht in Zürich spielt. Nach mehreren Finanzierungsrunden war sein ursprüngliches Seedinvestment von 170.000 CHF auf eine Post-Money Bewertung von 7,25 Mio. CHF gestiegen. Beim avisierten Verkauf des Beteiligungsunternehmens liegt der Preis jedoch voraussichtlich unter der Liquidationspräferenz, so dass sowohl der Gründer als auch er selbst leer ausgehen werden. Das könne er noch verschmerzen, meint Schillig, denn es handle sich ja um Risikokapital. Aber, so meint er:

„Wäre diese Firma im Kanton Zürich niedergelassen gewesen, hätte ich über CHF 300‘000 an Vermögenssteuern für eine Beteiligung an einem Startup bezahlen müssen, das sich am Schluss als völlig wertlos herausgestellt hat. Die Gründer und alle anderen Privatinvestoren hätten dasselbe Problem gehabt, weil die Steuerbehörden am jeweiligen Wohnkanton auf den festgelegten Steuerwert des Sitzkantons des Startups abstellen. Auch der Gründer, beim Start ein mittelloser Student, hätte CHF 1.5 Millionen an Steuern bezahlen müssen und am Schluss keinen Franken erhalten.“

Der Steuerstreit schwelt im Kanton Zürich nun seit 2013. Eine leichte Nachbesserung mit der Besteuerung nach dem Substanzwert nur bis zu dritten Lebensjahr des Start-ups hat verständlicherweise keine Beruhigung gebracht.

In Deutschland gibt es zurzeit keine Vermögenssteuer und Veräußerungsgewinne sind bei Nutzung einer GmbH als Investitionsvehikel steuerfrei, gegenwärtig auch bei Beteiligungen unter 10 %, dem sog. Streubesitz. Wenn sich nichts ändert oder gar die Züricher Praxis auch von den anderen Kantonen übernommen wird: Haben wir dann eine ganz neue Art von Flüchtlingswelle zu erwarten, nämlich von Steuerflüchtlingen aus der Schweiz?

Von Roland Kirchhof

Bild: © VRD – fotolia.de

Quelle: http://www.startwerk.ch/2016/03/14/beat-schillig-im-interview-zuercher-steuerfalle-fuer-startups-und-investoren/