Vorschläge von Business Angels Deutschland (BAND) für die Koalitionsverhandlungen
Wir begrüßen, dass die Stärkung der Wirtschaft einer der Schwerpunkte der geplanten Koalitionsregierung sein soll. Zukunftsorientierte Wirtschaft braucht eine starke Startup-Landschaft in einem potenten Finanzierungsumfeld. Zugleich ist es erforderlich, bürokratische und regulatorische Anforderungen für diese jungen Unternehmen auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau zu bringen.
In der letzten Legislaturperiode stand die Finanzierung von Startups in der Wachstums- und Pre-IPO-Phase im Vordergrund. Dies ist gut und richtig; die im Rahmen der WIN-Initiative beschriebenen Maßnahmen müssen nun dringend in die Umsetzung überführt werden.
Deutlich zu kurz und in den vergangenen drei Jahren sogar zurückgeführt wurde jedoch die Förderung von Startups in der Frühphase. Beispiele sind der Rückbau des INVEST-Zuschusses, das Ende des European Angel Funds und die einseitige Fokussierung auf wenige „Leuchttürme“ bei den Startup Factories zulasten der breiten EXIST V Strukturförderung an den Hochschulen.
Vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit bekommen zudem Startups außerhalb des Fokus von Venture Capital Gesellschaften. Dies sind z.B. Spezialisten, die kleinere, aber sehr werthaltige, Marktsegmente adressieren. Auch die Ambition der Gründer, ein stabiles Unternehmen ohne Exitdruck und mit möglichst wenig externem Kapital aufzubauen, spielt eine Rolle. Dabei stehen diese Startups in bester Tradition des erfolgreichen deutschen Mittelstands mit seinen vielen „Hidden Champions“.
Wir brauchen beides in Deutschland: hochambitionierte „Einhorn“-Kandidaten und die Mittelständler von morgen. Als eines der wenigen Länder in der Welt haben wir das Potential für beides. Nutzen wir diese Chance!
Aufgrund der – auch in den Startup-Musterländern USA oder Israel – hohen Ausfallraten von Startups (die auch von den erfahrensten Investoren im Einzelfall nicht vorhergesehen werden können) ist ein breiter Ansatz beginnend bereits in der Frühphase erforderlich. Nur dann kann eine ausreichende Zahl an Startups an den Start gehen, von denen sich dann einige wenige zu zukünftigen Marktführern entwickeln.
Für diese Breite spielen Business Angels eine zentrale Rolle: Drei Viertel der Finanzierungen von Startups in der Frühphase werden in Deutschland von ihnen gestemmt. Aufgrund der verschlechterten Rahmenbedingungen für ihr Engagement orientieren sich viele Angel Investorinnen und Investoren jedoch um. Sie investieren vermehrt im Ausland oder in anderen Asset-Klassen. Im Gegensatz zu Venture Capital Fonds können Sie das jederzeit tun und sind nicht an Anlagekonditionen gebunden.
Die frühphasige Finanzierung darf nicht austrocknen; andernfalls versiegt der notwendige ständige neue Aufwuchs junger Unternehmen.
Auch Gründerinnen und Gründer blicken aufgrund von steigenden regulatorischen und gesetzlichen Anforderungen sowie kontraproduktiven steuerlichen Regelungen verstärkt ins Ausland. Sie stellen fest, dass der Aufbau eines Unternehmens in vielen Ländern deutlich weniger Bürokratie-Overhead bedeutet und finanziell attraktiver ist.
Business Angels leisten weit mehr als reine Kapitalbereitstellung – sie stehen Gründerinnen und Gründern mit ihrer Erfahrung, ihrem Netzwerk und ihrer Expertise zur Seite. Gemeinsam können sie die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft sichern. Doch dafür brauchen sie verlässliche und international wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen. Konkrete Verbesserungen erwarten die Business Angels vor allem in folgenden Punkten:
1.Bürokratische Beurkundungserfordernisse abschaffen
Beispielhaft für überbordende Bürokratie, die Deutschland als international nicht wettbewerbsfähig erscheinen lässt, ist die Pflicht, die Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen sowie die Verpflichtung hierzu in einem notariellen Vertrag beurkunden zu müssen (§ 15 Abs. 3 und 4 GmbHG). Dies erschwert Eigenkapitalfinanzierungen, ist zeitaufwändig und für die Startups mit nicht notwendigen, oft erheblichen Kosten verbunden.
Nachdem die Forderungen von BAND, aber auch die aus der juristischen Literatur, nach einer ersatzlosen Streichung der aus dem 19. Jahrhundert stammenden Vorschrift in der letzten Legislaturperiode leider nicht durchgedrungen sind, wird ein derartiger Modernisierungs- und Entbürokratisierungsschritt umso dringlicher.
2. Rückkehr zur früheren INVEST Förderung von Start-up Finanzierungen
Das bewährte Programm „INVEST – Zuschuss für Wagniskapital“ ist in den letzten beiden Jahren auf ein Minimum von 15% Förderanteil reduziert worden. Ebenso wurde das Gesamtvolumen der Investments pro Business Angel stark begrenzt.
Während die Zahl der Startup-Gründungen im Jahr 2024 angestiegen ist, ging die Zahl der frühphasigen Finanzierungsrunden deutlich zurück. Ebenso kam es im Vorjahr vermehrt zu Startup-Insolvenzen. Um diesen Negativtrends entgegenzuwirken, ist es notwendig, zu den früheren Konditionen der INVEST-Förderung zurückzukehren. Insbesondere sollten Folgefinanzierungen wieder bezuschusst und das Programm für alle Angels ohne Einschränkung zugänglich sein.
Wichtig ist ebenfalls eine verlässliche Ausgestaltung des Programms. Seit 2022 kam es wiederholt zu unangekündigten Aussetzungen und Konditionsänderungen, die für die Finanzierungsplanung von Investoren und Startups schädlich waren.
3. Mehr Liquidität durch Aufbau eines Secondary-Marktes
Business Angels sind in der Frühphase auch deswegen für Startups besonders wichtig, weil sie in diesem Zeitabschnitt ihre Unterstützung durch Know-how und Kontakte besonders gut einsetzen können. Sobald weitere Finanzierungsrunden stattgefunden haben, treten sie im Gesellschafterkreis in den Hintergrund. Deswegen ist es oft sinnvoll, wenn sie zu diesem Zeitpunkt ihre Beteiligung im Rahmen eines sog. Secondaries veräußern können und nicht auf den Verkauf der Mehrheit der Anteile am Unternehmen warten müssen. So können sie die Erlöse schneller für erneute Investments in der Frühphase nutzen.
Für Secondaries gibt es in Deutschland bislang keine ausreichenden Marktstrukturen. Der Staat sollte daher den Aufbau solcher Programme analog zu seinen Engagements via Zukunftsfonds oder der WIN-Initiative unterstützen bzw. in diese integrieren.
4. Flächendeckende Business Angels Co-Investment Fonds
Der Bund sollte wieder einen öffentlichen Co-Investment Fonds aufbauen, die immer gemeinsam mit Business Angels unter gleichen Bedingungen investiert. Der Fonds hätten als Vorteil einen geringen Personalaufwand, weil der Business Angel die Beteiligung managt, und die Business Angels können ihrerseits das Finanzierungsvolumen für das Startup durch das Co-Investment des Fonds erhöhen.
Der ausgelaufene „European Angels Fund“, der wesentlich aus dem ERP-Sondervermögen des Bundes finanziert worden war, hat aufgezeigt, dass mit solchen Modellen attraktive Renditen für die Geldgeber zu erzielen sind.
Solche Co-Investment Fonds könnten auch durch einen längerfristigen Anlagehorizont eine Begleitung der eher mittelstandorientierten Startups durch Business Angels forcieren.
5. Dry-Income-Besteuerung abschaffen, Bewertungsprobleme lösen
Beteiligungen an einer GmbH (der typischen Rechtsform deutscher Startups) sind nicht fungibel, d.h. sie können nicht börsentäglich erworben oder veräußert werden. Andererseits ist die Geschäftsentwicklung bei jungen Startups deutlich volatiler als bei etablierten Unternehmen. Auch scheitern Startups öfter, ohne den Status eines nachhaltig profitablen Unternehmens zu erreichen bzw. erfolgreich veräußert werden zu können.
Das deutsche Steuerrecht ist nicht auf diese Eigenarten von Startups ausgerichtet. Der Erwerb, die Übertragung oder Vererbung einer solchen Beteiligung ist mit teilweise massiven steuerlichen Risiken verbunden.
- Die “Dry Income”-Problematik im Startup-Kontext muss endlich grundsätzlich gelöst werden: Steuern auf Anteile sollen erst im Zuge eines Liquiditätsereignisses fällig werden, d.h. bei einem Verkauf dieser Anteile, denn erst dann sind sie sicher werthaltig.
- Parallel dazu sollte eine Steuerrichtlinie der Bundesregierung zur Bewertung von Startup-Anteilen den risikobehafteten Interpretationsspielraum hinsichtlich des geldwerten Vorteiles und der Sozialversicherungsbeiträge bei einer Zuteilung von Anteilen aus einem Mitarbeiterbeteiligungsprogramm eliminieren.
Geschieht dies nicht, verbleiben Deutschland erhebliche Wettbewerbsnachteile, die den Aufbau eines widerstandsfähigen Ökosystems hemmen und die Abwanderung talentierter Gründerinnen und Gründer sowie engagierter Investoren ins Ausland begünstigen. International gibt es erfolgreiche Steuerprogramme für Frühphasen-Investoren, die die Investitionsbereitschaft in junge Unternehmen erheblich gesteigert haben. Ein Beispiel hierfür ist das britische Seed Enterprise Investment Scheme (SEIS), dessen Einführung zu einem signifikanten Anstieg privater Investitionen geführt hat.
6. Anreiz zu Re-Investitionen: Roll-over für drei Jahre
Angels, die als natürliche Personen investieren, versteuern Veräußerungserlöse im Wege des Teileinkünfteverfahrens zu 60% mit ihrem persönlichen Steuersatz beziehungsweise im Rahmen der Abgeltungssteuer mit 25%. Dies betrifft etwa die Hälfte der Business Angels in Deutschland.
Mit einem steuerlichen Roll-over sollte ein Anreiz zum Re-Investment von Exiterlösen in Startups für Angels geschaffen werden. Durch eine Anpassung des § 6 Abs. 10 EStG, der zurzeit nur gewerbliche Investoren erfasst, sollte die Besteuerung eines Veräußerungserlöses aus einer Beteiligung an einem Start-up zunächst gestundet werden, wenn und soweit ein Business Angel als natürliche Person solche Veräußerungserlöse innerhalb von drei Jahren erneut in ein innovatives Start-up im Sinne der INVEST-Richtlinie investiert. Mit Beendigung der Beteiligung an dem neu investierten Startup, maximal nach 15 Jahren, kann auch die Stundung enden. Es handelt sich somit um einen Steueraufschub, nicht um einen Steuerverzicht.